Ägypten – Im Land der Pharaonen

Was ist über Ägypten nicht alles gesagt, geforscht und geschrieben worden. Ich möchte den geneigten Leser und Betrachter nicht mit der Wiederholung all dieser Fakten langweilen, sondern den Versuch unternehmen, eher mit kleinen Geschichten als mit großer Geschichte zu unterhalten.

“Let my people go !“

Eine Fußnote in der langen ägyptischen Geschichte, war der napoleonische Eroberungsversuch; und mit der Ansprache Napoleons an seine Soldaten, im Angesicht der Pyramiden, möchte ich beginnen:

„…vierzig Jahrhunderte Geschichte blicken auf Euch herab !“

Auf dem Nachtflug nach Kairo, findet man nur wenig Ruhe. Die vielen Ägypter an Bord freuen sich auf die Heimkehr und geben dieser Freude lautstark Ausdruck. Schon viele Male bin ich hier gelandet, immer bietet sich ein Bild totaler Überfüllung; der Strom der Reisenden reist auch nachts nicht ab.

Bereits im Sicherheitsbereich, erwartet uns der Beauftragte unserer ägyptischen Agentur. Wie er es geschafft hat dorthin zu kommen, will ich lieber gar nicht wissen. Er scheint über eine gewisse Durchsetzungskraft (oder ein verständlicherweise vorhandenes Schlafbedürfnis – es ist immerhin schon 2 Uhr morgens) zu verfügen. Als ihm die Einreiseprozedur beim Zoll zu lange dauert, nimmt er dem Beamten entschlossen die Arbeit aus der Hand, leckt mit der Zunge die Gebührenmärkchen ab, klebt sie mit der einen Hand in den Pass und drückt mit der anderen Hand, gleichzeitig den Einreisestempel ins Dokument.

Die Fahrt durch das nächtliche Kairo, ist trotz der frühen Stunde immer noch ein Hindernisrennen. Gut 40 km sind es hinaus nach Gizeh. Wir logieren standesgemäß im stilvollen Mena House, von dem man bereits einen Blick auf die Pyramiden hat. Dieses Luxushotel ist selbst schon Bestandteil der Geschichte. Fieldmarshal Montgomery war Dauergast und 1943 trafen sich hier Churchill, Roosevelt und Tschiang-kai-schek, um über den Kriegsverlauf im fernen Osten zu beraten. In unseren Tagen diente es zum Teil als Kulisse, für den Oscar-gekrönten Film „Der englische Patient“.

Nach einer kurzen Nacht, reihen wir uns am kommenden Morgen in die Schlange ein, die auf Einlass in das Ägyptische Museum wartet. Hier könnte man Tage verbringen und hätte immer noch nicht alles gesehen. Magnetisch zieht der Kronschatz des Gottkönigs Tut-ench-Amun die Besucher an. Das Ägyptische Museum bietet aber mehr, es beherbergt die Mumien und alle Schätze, welche die Grabräuber den Pharaonen gelassen haben. Hier stehen Statuen, die mehr als 4500 Jahre alt sind und in den Vitrinen liegen Papyri, welche die Geschichte der Herrscher vom Nil schildern.

Auch wenn der ägyptische Feldzug für Napoleon eine absolute Katastrophe war, kamen in seinem Gefolge viele Gelehrte und Künstler in das Land am Nil. Durch ihre Berichte, und die Artefakte, die sie mit in die Heimat brachten, weckten sie in Europa ein Interesse an Ägypten, das sich bis in unsere Tage erhalten hat. Als dem Franzosen Champollion 1822 die Entschlüsselung der Hieroglyphen gelang, wurde aus dem Interesse „Verstehen“, – und ein Schleier viel von der 4000 Jahre im Dunkel liegenden Vergangenheit.

Am kommenden Tag brechen wir zu Fuß vom Mena House auf und kraxeln den Hügel zu den Pyramiden hoch. Schon am frühen Morgen, zeigt das Thermometer mehr als 25° C. Bilder von den Pyramiden oder dem Sphinx, in Büchern oder auf der Leinwand zu sehen, ist etwas anderes als selbst hier zu stehen. Doch die Freude währt nicht lange. Plötzlich sind wir umringt von Polizisten in Zivil. Mit unserer umfangreichen Fotoausrüstung, sind wir aufgefallen. Alles Reden und Erklären nutzt nichts. Wir werden zum Chef der Antikenverwaltung gebracht, der sein Büro an den Pyramiden hat. Der lacht nur, ob des Übereifers seiner Beamten, und schon bald stehe ich wieder an der Cheops Pyramide, baue das Stativ und die Kamera auf.

Mit 137 m Höhe, ist das Grabmahl von Pharao Cheops, die höchste der drei Pyramiden. Der griechische Geschichtsschreiber Herodot berichtete, dass mehr als 100.000 Arbeiter hier am Werk waren, um die bis zu 20 to. schweren Steinquader aufeinander zu schichten. 2500 Jahre sind seither vergangen, doch die Pyramiden haben nichts von Ihrer Faszination verloren.

Gegen Mittag wird es unerträglich heiß. Auf der Suche nach dem idealen Fotostandpunkt, haben wir uns recht weit von den Touristenpfaden entfernt. Ein alter Mann mit einem Esel, läuft beharrlich neben uns her und preist kalte Getränke an. Je weiter wir uns von den Pyramiden entfernen, desto teurer wird das erfrischende Nass. Nachdem wir weit genug gelaufen sind, verlangt er grinsend 5 LE für eine Cola…man kann’s ja mal versuchen!

Von Kairo brechen wir, die Kühle des Morgens nutzend, auf nach El Alamein. In dieser kleinen Stadt am Mittelmeer, tobte zwischen dem 23.10. und 14.11.1942, eine der blutigsten Schlachten des 2. Weltkrieges. Das deutsche Afrika-Korps, unter General Rommel, kämpfte gegen die Truppen der Alliierten unter General Montgomery. Mehr als 15.000 Gefallene oder Vermisste deutsche, italienische und Soldaten des Commonwealth, waren am Ende der Kampfhandlungen zu beklagen.

Ergriffen ist man, wenn man das deutsche, das italienische Ehrenmal oder den englischen Soldatenfriedhof besucht. Auch wenn es hier darum geht die gefallenen Soldaten zu ehren, ist die Gestaltung sowohl der deutschen als auch der italienischen Gedenkstätte zwar schlicht, doch ein wenig martialisch, und unweit des englischen Soldatenfriedhofes, befindet sich schon wieder ein Museum mit Panzern und Kanonen.

So tiefsinnig die Inschriften im deutschen Ehrenmal auch sein mögen, als ich abends in der untergehenden Sonne auf einer Balustrade am englischen Soldaten-Friedhof sitze und die Schatten der Grabsteine länger werden, fällt mir ein Zitat von Kurt Tucholsky ein:

„Jede Glorifizierung eines Menschen, der im Kriege getötet worden ist, bedeutet drei Tote im nächsten Krieg“.

Als die Sonne untergeht, fahren wir weiter nach Westen bis nach Marsa Matruh. Die Stadt am Meer ist das Lloret de Mar oder Rimini von Ägypten. Ein Urlaubsort, zubetoniert, hässlich und laut. Erst um 4 Uhr morgens, ebbt der Geräuschpegel ab und man findet einen unruhigen Schlaf, aber um 7 Uhr beginnt der Krach von neuem.

Von Marsa Matruh aus wollen wir eine Seite Ägyptens erkunden, die nur wenigen bekannt sein dürfte,die libysche Wüste und die Oasenstädte an der alten Karawanenstraße.

Wer sich für Lyrik interessiert, wird möglicherweise Ferdinand Freiligraths Gedicht „Ammonium“ kennen, ganz sicher werden aber Kenner der griechischen Geschichte um die Bedeutung von Siwa wissen; mit seinem Orakel, das schon Alexander der Große befragte. Siwa ist unser Tagesziel hier quillt das Wasser im Überfluss an die Oberfläche. Es gibt mehr als 300 Quellen, und so nimmt es nicht Wunder, dass in unserem kleinen Hotel auch französische Techniker wohnen, die eine Anlage aufbauen um das Mineralwasser in Flaschen zu füllen.

Der Reichtum Siwas, sind rund 300.000 Dattelpalmen, die schon lange bevor man die Oase erreicht, das Auge anziehen. Wir, die wir heute wie die Gehetzten reisen, können schwer nachvollziehen was Reisende früherer Tage, die wochenlang mit ihren Karawanen durch die Wüste zogen, bei diesem Anblick empfunden haben mögen.

Die Lehmbauten des alten Siwa verfallen immer mehr, doch am Fuße der Altstadt gibt es immer noch bewohnte Häuser in der traditionellen Bauweise. Dort, wo die Händler ihre Marktstände aufgebaut haben, haben auch einige Jungs mit Ihren „Taxis“ ihre Parkplätze. Wir verabreden uns für abends zu einer Sightseeing-Tour im Eselskarren – „Siwa by night“.

Am späten Nachmittag, als die Schatten länger und das Licht weicher wird, mache ich mich auf den Weg. Ich habe einen alten Friedhof entdeckt, der mir als Vordergrund für eine Stadtansicht dienen soll. Doch daraus wird nicht viel, denn schon bald bin ich von einer Schar neugieriger Kinder umringt, und es entspinnt sich ein spannender deutsch-ägyptischer Dialog. Wo liegt eigentlich Deutschland ? Was mache ich in Siwa ? Wozu die schwere Kamera und die vielen Objektive ? Gibt es in Deutschland auch Kamele ? Warum nicht ?

Als es dunkel wird, treffe ich am Taxi-Stand unsere Chauffeure und aus der Sightseeing-Tour wird eher ein Formel-1-Rennen, das nur unterbrochen wird, als einer der Eselskarren über die Curbs räubert und einen Achsbruch erleidet. Shit happens !

Weltbekannt ist Siwa für den Zeus-Amun-Tempel mit seinem berühmten Orakel. Er soll der Krönungstempel Alexanders des Großen gewesen sein. Als die Perser im 5. vorchristlichen Jahrhundert Ägypten besetzt hielten, wandte sich das Orakel der Legende nach gegen die Besatzer. Daraufhin rückte König Kambyses mit seinen Truppen an, um den Amun-Tempel und das Orakel zu zerstören, was ihm nicht gelingen sollte. Sein Heer wurde vom großen Sandmeer der libyschen Wüste verschluckt und tauchte nie wieder auf. Auch Alexander, soll das Orakel vor seinem Zug gegen die Perser und dem Sieg über Dareios befragt haben. Nachdem Archäologen den Tempel ausgegraben haben, weiß man heute, dass die Hohenpriester in einem Geheimgang den Frager belauschen konnten. Da das Orakel nur aus ihrem Munde sprach, war es Ihnen ein leichtes, die Antwort nach ihren Vorstellungen zu formulieren. Lenin hatte Recht. „Religion ist Opium für das Volk“.

Durch seine isolierte Lage sind in Siwa Traditionen erhalten geblieben, wie sie sonst in Ägypten nicht mehr anzutreffen sind. Arabisch ist hier Fremdsprache. Gesprochen wird ein Dialekt, welcher dem Tamaschek der Tuareg-Nomaden vergleichbar ist. Die Tracht der Frauen ist bunt, mit aufwendigen Stickereien; der Schmuck prächtig. Neben einem üppigen Halsschmuck, tragen Frauen häufig einen großen, silbernen Tellerring. Frauen bekommt man jedoch im islamischen Kulturkreis nur selten zu Gesicht und wenn, dann nur komplett verschleiert. Es ist für uns ein Glücksfall, dass der Direktor des kleinen Heimatmuseums ein koptischer Christ ist und uns drei bildhübsche Fotomodelle vermittelt, die wir für den kommenden Morgen zu einem Fotoshooting in Originaltracht engagieren. Die drei jungen Damen, erscheinen in Begleitung eines älteren Herren und zeigen einiges Talent zum Fotomodel.

Den würdigen Herrn in ihrer Begleitung, hatte ich zunächst als „Tugendwächter“ eingeschätzt, er spricht ein leidliches Englisch, und so kommen wir ins Gespräch. Es stell sich heraus, dass er der Sheikh der Oase Siwa und Besitzer der wunderschönen Trachten ist, die unsere Fotomodelle tragen. Er erzählt, dass er schon sein Leben lang hier lebe und als kleiner Junge, in Begleitung seines Vaters, auch die Bekanntschaft von Feldmarschall Rommel gemacht habe, als dieser Siwa besuchte.

An der Karawanenstraße im Westen, liegt auch die Oase Bahariya, die wir auf unserem Weg nach Süden ansteuern. In den vergangenen Jahren hat man hier zahlreiche Gräber und Mumien ausgegraben, die davon zeugen, dass sich das Reich der Pharaonen nicht ausschließlich auf das Niltal beschränkte. Weiter im Süden liegt die Oase Farafra. Hier gibt es ein hübsches kleines Hotel im typisch sudanesischen Baustil. Wem es in den Zimmern zu warm wird, kann seinen Schlafsack auch auf der Dachterrasse ausbreiten und die Nacht unter dem Sternenzelt verbringen. Diese kleine Insel der Gastlichkeit nutzen wir für Exkursionen in die „weiße Wüste“, die sich von Farafra aus nach Westen erstreckt. Die weiße Wüste ist eine Kunstausstellung der Natur. Alles hier, war in der Zeit der Urkontinente Meeresboden, davon zeugen die vielen versteineten Muscheln und Schnecken in dem weichen Felsgestein. Hohe Klippen, aus strahlend weißem Kalkstein, ragen aus dem gelben Sand. In der weiten ebenen Fläche, erheben sich – Termitenhügeln gleich – kleine, mannshohe Hügel, so weit das Auge reicht. Andernorts hat die Erosion Gebilde geschaffen, die auch wenig phantasiebegabten Menschen wie Märchenfiguren erscheinen.

Wir verlassen die weiße Wüste und wenden uns  nach Süden. Dort, ungefähr eine Tagesreise entfernt, liegt die Oase Dakhla. Auf dem Weg dorthin, passieren wir gegen Mittag die Tempelanlage von Deir-el-Haggar. Nichts spektakuläres, sagt unser Guide schulterzuckend, nur „römisch“, – zur Zeit von Kaiser Nero erbaut. Was ist das schon, im Vergleich zu den zweitausend Jahre älteren Tempeln der Pharaonen. Meine Aufmerksamkeit wird jedoch durch eine Inschrift, hoch oben an einer Säule gefesselt. Dort steht: „G. Rohlfsche Expedition 1864“ und dann eine ganze Reihe deutscher Namen. Ein frühes Graffiti, in Stein gemeißelt. Gerhard Rohlfs war mir völlig unbekannt, die Beschäftigung mit seiner Biografie lohnt jedoch. Zuerst floh er aus seinem Elternhaus in die Fremdenlegion, geriet nach Algerien und nach Marokko, wurde dort Armeearzt und Leibarzt des Sultans. Mit dem Bazillus „Wüste“ infiziert, unternahm er zahlreiche Reisen quer durch die Sahara und wurde so etwas wie ein Indiana Jones früherer Tage.

Dakhla besteht aus 16 kleineren Ansiedlungen. Bereits lange bevor man die Oase erreicht, wird das Auge, nach der Eintönigkeit der Wüste, angezogen von den vielen unterschiedlichen Grüntönen der Dattelpalmen und Feldfrüchte. Bereits während der Zeit des Alten Reiches, unterhielt die Oase Handelsbeziehungen mit dem Niltal. Unter dem Einfluss der Römer, wurde die Landwirtschaft ausgebaut und der Handel intensiviert. Von den kleinen Dörfern des Weilers, ist El Qasr das fotogenste. Auch wenn die Altstadt nicht mehr bewohnt ist, sind die im sudanesischen Lehmbaustil errichteten Gebäude gut erhalten. Mehrere Minarette überragen die Kulisse. Wer durch die engen Gassen schlendert, bekommt immer wieder überraschende Einblicke; hier eine Töpferei, dort eine alte Ölmühle. Aus einer Schmiede dringen Hammerschläge und das Fauchen des Feuers in der Esse. Wunderschön geschnitzt und verziert, mit massiven Türklopfern versehen, sind die schweren Türen, die den Zugang zu den Bürgerhäusern verwehren.

Weniger verschlossen sind die Herzen der Menschen. Auf einem großen Platz vor der Moschee sitzt ein junges Mädchen, vielleicht 12 oder 13 Jahre alt, und verkauft Strohhüte. Die Kleine habe ich sofort ins Herz geschlossen und die Sympathie scheint auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Ich schaue durch den Sucher meiner Kamera und sie lächelt mich charmant an. Kommunikation funktioniert eben auch ohne Worte.

Wir verlassen Dakhla am frühen Morgen, passieren die Oase Charga und durchqueren die Western Desert in Richtung der Lebensader Ägyptens; – des Nil. Am Abend, erreichen wir den großen Strom in Luxor. Mit dem Mythos Nil, verbinden sich viele Legenden und es ranken sich spannende Geschichten um die Reisen, die zur Entdeckung seiner Quellen führten. Ob der Nil mit einer Länge von 6671 km nun der längste oder zweitlängste Strom unserer Erde ist, ist eigentlich völlig unerheblich. Wichtig ist, dass er Lebensgrundlage für Millionen Menschen ist, die an seinen Ufern leben. Bei Khartum im Sudan, vereinigen sich der Blaue Nil, der im Hochland von Äthiopien entspringt, mit dem Weißen Nil, der seine Reise im Ruwenzori-Gebirge in Ruanda und Burundi beginnt. Nachdem er Kairo passiert hat, bildet der Fluss ein Delta und mündet ins Mittelmeer. Dies sind nüchterne Fakten. Was der Nil jedoch für die ägyptische Kultur bedeutete, vermögen wir erst zu erfassen, wenn wir an die historischen Stätten an seinen Ufern kommen.

Luxor; – bereits im Wort liegt ein Anflug von Luxus. Nach unserer anstrengenden Wüstendurchquerung, gönnen wir uns diesen und logieren uns im Winter Palace ein. Heute ein Luxushotel, früher die Winterresidenz von König Faruk. Staubig und ein wenig schmuddelig wie wir sind, stehen wir in der Lobby des Hotels und werden stirnrunzelnd durch den Concierge in Augenschein genommen. Als die Bellboys zu allem Überfluß auch noch unsere staubigen Seesäcke in der Hotelhalle abladen, geht es mit der Zimmervergabe sehr schnell.

Äußerlich gereinigt und mit einem guten Abendessen gestärkt, schleppe ich die Fotoausrüstung und das schwere Stativ, die Prachtstraße Corniche hinauf, zum Luxor-Tempel. Heute ist Vollmond und der steht am frühen Abend genau zwischen den mächtigen Säulen des Tempels. Das ist allemal ein Foto wert. Einer der Wärter, tritt aus dem Dunkel und bedeutet mir, dass Fotografieren verboten oder nur gegen Gebühr erlaubt sei. Doch ich befinde mich auf dem Gehweg vor dem Tempel und er sieht nach 20 Minuten Diskussion ein, dass er hier an den Falschen geraten ist.

Nach der Zeit in der Wüste, auf der schönen Seite Ägyptens, muss an dieser Stelle deutlich gesagt sein, dass das Gebaren der Aufseher an den bedeutenden historischen Stätten, mir eine weitere Reise ins Lan d der Pharaonen bislang verleideten. Bei den zum Teil nicht unerheblichen Eintrittsgeldern, sind die zusätzlichen „Abzockereien“ dem Tourismus sicher nicht förderlich und haben dazu geführt, dass ich nach schier endlosen Diskussionen und Gefeilsche weder im Tal der Könige noch auf Philae gewesen bin. Die Erfahrungen in Luxor haben mir gereicht!

Wer den Luxor-Tempel ohne Touristenmassen erleben will, muss früh auf den Beinen sein. Bereits um 5 Uhr in der Frühe werden die Pforten geöffnet. Im weichen Licht der aufgehenden Sonne, auf der fast 2 km langen Sphingen-Allee zu stehen, mit Blick auf den Pylon, der zur Zeit Ramses II. entstand und der Reliefbilder aus der Schlacht von Kadesh zeigt, ist ein Traum. Die Innenräume des Tempels haben gewaltige Ausmaße. Am Zugang von erstem Hof zur Säulenhalle, stehen die Kolossalstatuen von Ramses II. und Amenophis III. Es gibt so viel zu entdecken, man könnte den ganzen Tag hier verbringen. Als gegen 9 Uhr der Besucherstrom anschwillt, mache ich mich auf den Rückweg zum Hotel.

Im Reiseführer steht: „Karnak braucht Zeit; suchen Sie sich ruhige Stunden, z.B. nach 12 Uhr aus um einen Eindruck von der Atmosphäre dieses Rom des alten Ägyptens gewinnen zu können“. Als ich die vielen Busse auf dem Parkplatz und die langen Schlangen vor den Kassenhäuschen sehe, denke ich unwillkürlich, dass der Reiseführer wohl in viele Sprachen übersetzt und ein „Bestseller“ sein muß. Wehmütig denke ich zurück an die Stille der Wüste. Aber auch diese Seite gehört zu Ägypten.

Seit mehr als 4000 Jahren war der Tempel des Amun-Re, des Gottes aller Götter, das bedeutendeste Heiligtum Ägyptens. Das Tempel-Areal ist riesig. Viele bedeutende Pharaonen wie Sethos I., Ramses II., Thutmosis III. oder der Ketzerkönig Echnaton, haben sich hier als Baumeister betätigt. Die Wände, die Pylonen und Höfe sind mit Reliefs bedeckt, die Begebenheiten aus ihrem Leben erzählen, vor allem von unzähligen gewonnenen Schlachten.

In der großen Halle finde ich einen Wächter, den ich gerne fotografieren möchte. Die hochstehende Sonne, wirft runde Lichtkegel auf das Pflaster zwischen den mächtigen Säulen. Ich möchte, dass er in einem solchen Lichtkreis steht und mit dem rechten Arm nach oben, auf eine Inschrift deutet. Nachdem wir uns auf ein Bakschisch von 5 LE für diese Dienstleistung geeinigt haben, beginnt das Drama. Entweder laufen Touristen ins Bild, oder der Wächter nimmt den Arm herunter oder schaut ganz einfach in die falsche Richtung. Es dauert eine gute halbe Stunde bis das Bild im Kasten ist. Geduld hat der gute Mann schon gehabt.

Hoch über den Tempel hinaus ragt der 23 m hohe, tonnenschwere Obelisk von Thutmosis I. und dessen Tochter Hatschepsut. Das Pendant zu diesem Monument, steht heute vor dem Lateran-Palast in Rom. Im Jahr 327 n. Chr. wurde er von Karnak nach Alexandria geschafft, verweilte dort 20 Jahre, bis er nach Rom transportiert wurde.

Als ich am späten Nachmittag in Richtung Ausgang strebe, treffe ich meinen Freund den Wächter wieder, der allen Touristen jetzt anbietet, dass er für 5 LE auf die Säulen zeigt.

Am kommenden Morgen nehmen wir die Straße wieder unter die Räder und machen uns auf den Weg nach Assuan. Auch hier haben wir uns in einem Hotel eingemietet, das ein Hauch von Geschichte umweht. Das Old Cataract hat sehr viel seines Charmes aus der guten alten Zeit herübergerettet, als England noch die Kolonialmacht am Nil war. Dicke Teppiche dämpfen den Schritt auf den Fluren. Auf der Terrasse, mit Blick auf den Nil, kann man zur Teestunde ein Gurken-Sandwich und einen Earl-Grey-Tea genießen, während ein Boy noch von Hand einen Deckenfächer bewegt und kühle Luft zufächelt.

Agatha Christie hat hier Ihren Roman „Tod auf dem Nil“ geschrieben und später diente das Hotel auch als Kulisse, bei der Verfilmung dieses Buches, in dem der großartige Peter Ustinov den Hercule Poirot spielte.

Direkt vom Bootsanleger des Hotels, kann man mit einer Feluke eine Fahrt zu den Katarakten des Nil unternehmen. Auf unserem Weg zum anderen Ufer passieren wir die Insel Elephantine. An der Kaimauer gibt es ein Nilometer, – einen antiken Wasserstandsmesser. Dort wurde das Hochwasser angezeigt, das früher nicht als Katastrophe gesehen wurde. Die jährlichen Überschwemmungen waren ein Segen, denn sie machten das Land am Ufer fruchtbar. Am gegenüberliegenden Ufer erheben sich hohe Sanddünen, die man auf einem beschwerlichen Marsch erklimmen kann. Von oben hat man einen herrlichen Blick auf Stadt und Katarakte, zwischen denen zahlreiche Feluken kreuzen. Am Ufer liegen Hotelschiffe ohne Zahl, mit denen man auf Nilkreuzfahrt á la „Tod auf dem Nil“ gehen kann.

Auf dem Rückweg lasse ich mich in der Stadt absetzen und schlendere durch den Basar. Das Warenangebot hat touristischen Zuschnitt. Nur selten sind zwischen all dem Krempel, kunsthandwerklich hochwertige Stücke zu entdecken. Händler bieten immer wieder „Originale an – very old ! – Made in Taiwan ? Wer zu müde für den Rückweg zu Fuß ist, kann sich stilvoll in einer Pferdekutsche zum Old Cataract kutschieren lassen.

Im Umland von Assuan gibt es viele nubische Dörfer deren Besuch lohnt. Die Häuser sind traditionell hellblau oder sonnengelb gestrichen. Die Menschen, die hier leben, heben sich in Ihrer Hautfarbe deutlich vom Rest der Ägypter ab. Der afrikanische Einfluss ist unverkennbar und auch in ihrer Mentalität, sind diese Menschen gelassener und zurückhaltender als die Araber. In einer schmalen Gasse kommt mir eine alte Frau entgegen. Als ich gestikulierend frage ob ich sie fotografieren darf, zwinkert sie mir zu und lädt mich zu sich nach Hause ein. Nach einem Glas Tee entstehen wunderschöne Fotos, und ich sitze lange im Hof Ihres Hauses, schaue ihren Enkeln beim Spielen zu und bin für kurze Zeit Mitglied ihrer Familie. Als ich mich verabschiede, steht sie noch lange in der Tür und schaut mir nach, bis ich verschwunden bin.

Den Weg von Assuan nach Abu Simbel kann man nur unter militärischen Schutz auf dem Landweg zurücklegen. Vor wem man geschützt werden soll, wird nicht ganz klar, aber geht es schon um 4 Uhr morgens los; dann wird der Konvoi in der Straße hinter dem Nubischen Museum zusammengestellt. Wir überqueren die Straße am Assuan-Staudamm und haben einen ersten Blick auf den Nasser-See, der sich von hier, bis nach Abu Simbel – das sind immerhin 290 km – erstreckt. Wer bei der Hitze und dem Blau des Wassers jedoch an ein kühles Bad denkt, sei gewarnt, neben Bilharziose-Erregern wimmelt es im Nasser-See auch von Krokodilen. Ein Freund hatte mir gesagt:  „wenn Du nach Abu Simbel kommst, wohnst du in einem kleinen Hotel und hast die Tempelanlage bei Sonnenaufgang ganz für dich, denn die Tagestouristen aus Kairo kommen mit dem Flugzeug nicht vor 10 Uhr“. Das kleine Hotel, welches wir am späten Nachmittag erreichen, erweist sich als komfortable 4-Sterne Anlage mit Aquapark und Blick über den Nasser-See. Als ich am kommenden Morgen, vor 6 Uhr, mein Stativ am Tempel aufbaue, donnern schon die Flugzeuge über meinen Kopf hinweg und ich weiß, dass es mit der Ruhe gleich vorbei sein wird. Mein Freund war wohl schon lange nicht mehr hier.

Trotzdem wird Abu Simbel zu einem unvergesslichen Erlebnis. Die Tempelanlage, die aus dem Ramses-Tempel und dem seiner Gattin Nefertari besteht, wurde von Ramses II. als Zeichen errichtet. Ein Zeichen für die nubischen Völker, das sein Einfluss bis hierher in die nubische Wüste reicht.

Wenn man sich überlegt, dass dieses „Kleinod“ von „Kolossalgröße“, beinahe beim Bau des Assuan-Staudammes im Nasser-See versunken wäre, was für ein Verlust für die Menschheit wäre das gewesen !

Die UNESCO brachte die 18 Millionen Dollar auf, die zur Rettung nötig waren. Das Bauwerk wurde in handliche Blöcke zersägt, an einem höher gelegenen Platz wie ein Puzzle wieder zusammengesetzt und durch einem künstlichen Damm geschützt. Im März 1980 war der gewaltige Kraftakt gelungen und die vier großen Ramses Stelen thronten wieder vor dem Eingang. Ramses II. ist hier „omnipräsent“, die massiven Pfeiler, welche die Kuppel stützen, tragen sein Antlitz,  viele Wandreliefs künden von seinen Taten, im Allerheiligsten sitzt er neben den Gottheiten Amun, Re und Ptah.

Wer die hohe Eintrittsgebühr nicht scheut, sollte die „Sound and Light Show“, die bei Dunkelheit beginnt, nicht auslassen. Untermalt durch Verdis Gefangenenchor aus Nabucco, wird hier die Geschichte von Ramses II. auf den Tempel projiziert, und die Szenerie in dezente Lichteffekte getaucht.

Wer hier sitzt und nicht beeindruckt ist, den wird wohl nichts beeindrucken. Ich sitze noch auf meinem Platz, als das Licht schon lange ausgegangen ist und muss die Taschenlampe benutzen um meinen Weg zurück zum Hotel zu finden. Den letzten Bus habe ich verpasst und die Straßenbeleuchtung ist auch schon ausgeschaltet. So habe ich Zeit meinen Gedanken nachzuhängen. Morgen geht es schon wieder nach Hause. Die Zeit in Ägypten ist wie im Flug vergangen. In einem der Tempel hat mir ein Guide eine Wandinschrift übersetzt, an die ich jetzt zurückdenken muss:

Auf dein Wissen sollst du nie stolz sein und auf deine Gelehrsamkeit sollst du dich nie verlassen. Es gibt noch viele Dinge, von denen du noch nie gehört hast.