Camino Inca – Der Weg der Inka

Zum zweiten Mal El Alto, doch jetzt sind wir gut akklimatisiert. Wir wollen nach Süden und werden uns ständig in einer Höhe von 3.500 – 4.500 m Höhe bewegen, da ist eine gute Höhenanpassung die halbe Miete.

Auch wenn Bolivien über wenige historische Stätten verfügt, so ist es dennoch ein Teil des alten Inka-Imperiums. Die heutigen Bewohner haben indianische Wurzeln; Quechua und Aymara stellen knapp 65% der Bevölkerung.

Nachdem wir unsere Landcruiser bepackt haben, brechen wir gen Süden auf. Von El Alto aus folgen wir der Asphaltstraße, passieren Patacayma, erledigen dort die letzten Einkäufe und biegen hier, wo die Zivilisation endet, in Richtung des Dorfes Sajama ab. Erst lange nach Einbruch der Dunkelheit erreichen wir den Fuß des Sajama, den mit 6.562 m höchsten Berg Boliviens. Es ist bitterkalt, der Himmel sternenklar.

Am kommenden Morgen strahlt die Sonne von einem stahlblauem Himmel – und dann sehen wir sie vor uns liegen – zum Greifen nahe – die ebenmäßige Silhouette dieses schönen Vulkans. Wir genießen den Tag, die landschaftliche Schönheit und als wir in Curahuara de Carangas mit seiner kleinen Kolonialkirche ankommen, hinter der sich majestätisch der Sajama erhebt, sind wir sprachlos und ergriffen.

Wir machen uns auf nach Oruro einer Bergarbeiterstadt, die vom Zinnabbau lebt. Für uns ist sie nur Zwischenaufenthalt auf unserem Weg zum Salar de Uyuni. Nach einer letzten Nacht in einem Hotel mit heißem Wasser starten wir nach Challapata. Kurz vor der kleinen Aniedlung ist unsere Fahrt zunächst zu Ende. Die Landarbeiter streiken und protestieren gegen die Zentralregierung. Alles reden nutzt nichts, auch wenn die Stimmung uns gegenüber nicht unfreundlich ist, lässt man uns nicht passieren, stellt uns aber in Aussicht, dass es um 12:00 Uhr weitergeht. Jetzt ist es aber erst 9:00 Uhr, und wir haben noch gut 12 Stunden Fahrt auf schlechten Pisten vor uns. Die Zeit verrinnt im Schneckentempo. Als die Barrikaden endlich von der Straße geräumt werden und es weiter gehen soll, trifft die schwer bewaffnete Staatsmacht ein, und es wird wieder endlos verhandelt. Schließlich lässt man uns passieren.

Nach endloser Fahrt durch die Nacht, kommen wir wir doch noch in Jirira ein. Es ist stockfinster, aber der phantastische südliche Sternenhimmel hält uns noch lange draußen, – dort die Venus, der hell strahlende Abendstern, hier der Orion mit Gürtel und Schwert, und ganz am Rand das Kreuz des Südens.

Als die Dämmerung heraufzieht, sehen wir ganz nah die formvollendeten Vulkankegel von Pomerape 6.282 m und Parinacota 6.342 m, sie stehen auf der bolivianisch-chilenischen Grenze nur wenige Kilometer entfernt. Jirira ist ein typisches Dorf auf dem Altiplano, ein windschiefes Kirchlein,Häuser mit Lehmputz; – irgendwo duftet es nach Kiefernholz. Mitten im Ort steht ein Backofen, hier liegen die frischgebackenen Laibe zum Auskühlen an der frischen Luft, ein kleiner Bach, mehrere Gehöfte, und dazwischen Alpacas und Vicunyas mit bunten Schleifen an den Ohren.

Unweit von Jirira, erreichen wir bei San Juan den Salar de Uyuni, den größten Salzsee der Erde. Die Dimensionen sind unglaublich, 160 km Länge und 135 km Breite, die Salzauflage zwischen 2 und 7 m. Man sieht nur das tiefe Blau des Himmels und das strahlende Weiß des Salzes, das in der Fläche Polygone gebildet hat. Die Salzschicht ist so eben und hart, dass man auf ihr mit den Fahrzeugen problemlos mit über 80 km/h dahindüsen kann.

Mitten in der weißen Fläche wird das Auge magisch angezogen von zwei dunklen Punkten, die sich beim Näherkommen als Felseninseln im Salz entpuppen. Die Isla Pescado ist unbewohnt. Man glaubt sich verloren in der Mitte des „Nichts“, hier wachsen nur bis zu 1200 Jahre alte Kandelaberkakteen, die sich auf fast 12 m Höhe in den Himmel recken.

Die Isla Inkawasi nur einen Steinwurf entfernt, ist touristisch erschlossen. Auf steilen Klettersteigen kommt man nahe an die riesigen Kakteen heran und hat Durchblicke, von ungeahnter Schönheit auf den Salar.

Wir verlassen den Salar und machen uns auf zu den hochgelegen Lagunen Canapa und Hedidona. Obwohl schon Juni, und die Sonne hoch am Himmel steht, das Wasser durch vulkanische Aktivität nur so dampft, sind die Ränder der Lagunen von Eisplatten gesäumt und die Büschel von Tussock-Gras an den Ufern mit Raureif überzogen. Hier lebt eine Kolonie Saint James Flamingos, die sich des Nachts sogar im Wasser einfrieren lassen. Die erloschenen Vulkankegel spiegeln sich im klaren Wasser der Lagunen. In der Nähe, erhebt sich der Arbol de Piedra – wie Aladins Wunderlampe – als erodierte Steinskulptur auf der Hochebene. Hier tummeln sich Viscachas, die aussehen wie Murmeltiere, deren engste Verwandte jedoch die Chinchillas sind.

Für die Nacht machen wir Rast in einem Sammellager, an der vielgerühmten Laguna Colorado. Die Lagune verdankt ihren Namen den mineralischen und metallischen Ablagerungen, die das Wasser in den verschiedensten Farben schillern lassen. Lama-Herden weiden den kargen Bewuchs ab. Der kalte Wind treibt uns in die ungemütliche Behausung zurück und es beginnt eine lange Nacht.

Früh am nächsten Morgen, – die Kälte hat ohnehin für Zähneklappern und wenig Schlaf gesorgt, – sind wir am Sol de Manana, einem Geysirfeld, das an Schönheit seines Gleichen suchen soll. Durch die Kälte und den ungünstigen Wind sehen wir jedoch nur Wolken aus Wasserdampf. Entschädigt werden wir gegen Mittag durch den atemberaubenden Anblick der Laguna Verde, hinter der sich der Vulkan Licancabur mit einer Höhe von 5.916 m erhebt, mit einem Schneehäubchen, das aussieht wie Puderzucker. Durch das steile Licht und eine photochemische Reaktion, erscheint uns die Farbe des Wassers in tiefem Türkis. Eigentlich wollten wir hier übernachten, aber Kälte und Wind des Hochlandes haben uns ausgelaugt und wir sehnen uns nach einer heißen Dusche und einem weichen Bett. So machen wir uns auf nach Uyuni. Nachmittags passieren wir Colchani, die Endstation der Eisenbahn; – Endstation für so vieles und für so manchen. Wenige Menschen leben hier. Auch die Gesichter der Schulkinder, die uns auf der Straße begegnen, sind von Wind und Wetter gegerbt und den harten Lebensbedingungen geprägt. Traurig schaut uns so manches Augenpaar nach.

Am Stadtrand von Uyuni, – die einzige Attraktion dieser Bezirkshauptstadt -, ein Friedhof alter Dampflokomotiven. Hier steht auch das verrostete Dampfross, in welchem – das von Burt Bacharach unsterblich gemachten Banditenduo – Butch Cassidy und Sundance Kid Ihren Überfall verübten.

Als wir uns am folgenden Morgen auf den Weg nach La Paz machen, treffen wir am Rande des Salar auf einige tief vermummte Arbeiter bei der Salzernte. Mit der Spitzhacke brechen sie die Salzkrume auf und schieben den Bruch zur weiteren Trocknung mit dem Schneeschieber zu kleinen Kegeln,zusammen. Mitten auf dem Salar steht eine Baracke. Hier wird das Salz vermahlen, Jod hinzugesetzt und in Kunststoffbeutel, die über offener Flamme verschweißt werden, verpackt.  Ihr seid das Salz der Erde.“

Endlich wieder in La Paz, freuen wir uns über die Segnungen der Zivilisation.Trotz der reduzierten Ansprüche sollte man als vielreisender Globetrotter diese Gelüste leicht wegstecken können, aber fünfzehn Tage Höhe, Kälte und Sammelunterkünfte wecken diese Wünsche dann eben doch.

La Paz, Hauptstadt und Regierungssitz, ist – wenn man die exponierte Lage weglässt – eine Stadt wie jede andere Kolonialgründung der Spanier. Einige schöne Kirchen, und manches, wie die Calle Linares (Zaubergasse) und den Mercado Brujeria (Hexenmarkt), was das Herz des Touristen höher schlagen lässt. Hier verkauft man Panflöten, Tonfiguren von Pachamama, Hochwertiges aus Wolle und Leder, aber auch Kurioses, wie diverse Tinkturen und Pülverchen gegen alle erdenklichen Leiden, – mein Favorit ist jenes gegen den bösen Blick, – kann man hier erstehen.

Wer sich vor dem Heimflug noch mit geistiger Nahrung versorgen möchte, dem sei ein Ausflug in das Umland von La Paz empfohlen. Das Valle de Luna kann man dabei getrost von der Liste der Attraktionen streichen, es liegt durch das schnelle urbane Wachstum mitten im Einzugsbereich von „greater La Paz“. Hat man die Vorstädte aber erst hinter sich gelassen, wird es schnell ländlich und man hat einen traumhaften Ausblick auf die Stadt, hinter der sich der 6.439 m hohe Illimani, der Hausberg von La Paz, erhebt. Wenn man einen großen Bogen schlägt und weiter in Richtung Huarina fährt, hat man an klaren Tagen eine grandiose Aussicht auf den Rand des Titicaca-Sees und die dahinter aufragende Bergkette der Cordillera Real. Das ist geistige Nahrung; – Erinnerungen, die man nie vergisst, die man in seinem Kopf trägt und zuhause an dunklen Wintertagen hervorholen kann.

Jede Reise ist mit einer Erinnerung verbunden…

und Erinnerungen sind ein Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann. (Jean Paul)