Arabia Felix – …auferstanden aus Ruinen ?

Im Winter 2008, – draußen türmten sich tief hängend, regenschwere Wolken – diskutierten wir die Reiseziele für das kommende Jahr. Einige Ziele fielen aufgrund von Reisewarnungen oder aktuellen Unruhen aus, andere lagen uns zu nahe an den Zielen der letzten Reisen. Ich las zu dieser Zeit das Buch „Ramadan Blues“ meiner Kollegin Jasna Zajček. Seit langem fotografiere ich für eine Multimedia-Schau die den Titel Arabia Felix tragen soll und da wäre Syrien und Jordanien eine logische Ergänzung.

Ausgesprochen war der Gedanke schnell, ihn mit Leben zu füllen, dauerte länger. Zu wenig wusste ich über die Kulturstätten in beiden Ländern, auch wenn ich in sowohl in Damaskus als auch in Amman zuvor schon gewesen war. In einem war ich mir allerdings absolut sicher; das die Vorurteile und Vorbehalte, die so viele Menschen im Westen zwischenzeitlich gegen den Islam und die Länder des mittleren Ostens hegen und pflegen – sich wieder als unzutreffend erweisen sollten. Wer in Arabien reist, ist Gast und genießt Gastfreundschaft. In der 9. Sure wird der Reisende als „Sohn des Weges“ bezeichnet und es ist eine heilige Pflicht diesem Gastfreundschaft zu gewähren.

Damaskus – 6. Jahrtausende Paradies auf Erden

Der Prophet Mohammed hat sich das Bild von Damaskus vor Augen, geweigert, die Stadt zu betreten. „Der Mensch kann nur ein Paradies haben, und meines ist im Himmel, soll er gesagt haben. Heute ist die Stadt am Fuße und an den Abhängen des Djebel Qassyun mit mehr als 2 Millionen Einwohnern und abertausenden von Pendlern die täglich in die Stadt kommen, ein etwas aus der Form geratenes Paradies, das jetzt in den letzten Tagen des Ramadan unter dem Smog leidet, den die Benzinkutschen die sich durch die Altstadt quälen, verbreiten.

Mit mehr als 6. Jahrtausenden Besiedelungsgeschichte gilt Damaskus als die am längsten durchgehend bewohnte Stadt auf unserem Planeten. Meilensteine der Menschheitsgeschichte sind mit Damaskus verbunden. Hier soll Kain seinen Bruder erschlagen haben, Saulus soll hier zu Paulus geworden sein, Alexander der Große war hier; natürlich die Römer (wo waren die nicht ?) und bereits im Jahr 661 wurde Damaskus Hauptstadt des jungen islamischen Reiches.

Um den Mythos Damaskus ranken sich viele Legenden. Der wahre Lebensnerv der Stadt wird seit jeher vom Handel geprägt. Die Stadt war einst die wasserreichste Oase im Nahen Osten. Hier kreuzten sich die alten Handelsrouten von Seiden- und Weihrauchstraße. Man kann sich gut vorstellen wie die Karawanen durch Bab Tuma Einzug in die Stadt hielten und sich die Nachricht wie ein Lauffeuer in den Souks fortpflanzte das neue Ware angekommen und Fremde in der Stadt seien. Wer heute durch den Bauch von Damaskus schlendert, findet dort neben Dingen des täglichen Bedarfs, so wichtige Kleinigkeiten wie Wasserpfeifen, stapelweise bunte Büstenhalter, Granatapfelsaft oder das leckere Eis von Bakdash. Mit einer solchen Stärkung „in der Waffel“ streben wir der Omajjaden-Moschee zu. Zu allen Zeiten war dies ein Platz des Glaubens. In vorchristlicher Zeit stand hier ein semitischer Tempel, die Römer bauten auf seinen Ruinen im 2. Jahrhundert einen mächtigen Jupiter Tempel aus dessen Grundmauern wiederum eine Kirche zu Ehren von Johannes dem Täufer zum Himmel emporwuchs. Das Haupt von Johannes das Herodes ihm auf Wunsch jener Salomé hat abschlagen lassen, soll in der Omajjaden-Moschee ruhen und wird als Reliquie verehrt. Nach den heiligen Stätten von Mekka und Medina hat jeder gläubige Muslim die Pflicht einmal in seinem Leben zur Omajjaden-Moschee zu pilgern. Wir mischen uns unter die Pilger, und es erstaunt mich wie so oft, welch unbefangenen Umgang Muslime mit Ihrer Religion pflegen. Während Christen beim Betreten eines Gotteshauses oft in Ehrfurcht erstarren, spielen im Innenraum der Moschee die Kinder Ball, ohne das ein Erwachsener sie dafür tadeln würde.

Auf verschiedenen Routen kann man die Altstadt von Damaskus durchstreifen und seinen Interessen nachgehen. Ob auf der Handwerker-, der Händler- oder der historischen Route überall gibt es Kleinodien Damaszener Baukunst zu entdecken. Ob ein Hammam, eines der vielen Bait genannten Damaszener Stadthäuser oder der Suq al-Hamidye alles atmet orientalisches Flair als sei Sherezade selbst erst gestern hier lustwandelt. Wer nach einem langen Tag mit wunden Füssen einen Ort zur Rast sucht dem sei die Einkehr im Teehaus Noufara empfohlen. Hier kann man sitzen, seinen Tee genießen, und bei einer blubbernden Shisha die Welt an sich vorüberziehen lassen.

Gegenüber der Teestube ertönt das Hämmern eines Kupferschmieds der das lange vergessene Handwerk des Ziselierens und Intarsierens von Messing, Kupfer und Silber wiederbelebt. Bei so etwas kann ich nie widerstehen und nach langem Handeln trage ich einen wahren Schatz nach Hause.

Als die Sonne sich senkt und die Schatten länger werden, machen wir uns auf den Weg zum Aussichtsplateau auf dem Djebel Qassyun. Von hier hat man einen traumhaften Blick über die Stadt. In der Ferne sieht man die Omajjaden-Moschee, und ganz nah, nicht weit von der Residenz des Präsidenten erblickt man die Minarette der Tekkiye Sulaimaniye gleich neben dem Nationalmuseum. Als die Dämmerung hereinbricht und Lichter in die Stadt erleuchten, wird mir klar, warum Damaskus so viele Beinamen hat. Damaskus Perle des Morgenlandes, Braut der Erde, die Duftende – Mutter aller Städte.

Nach hier werde ich sicher zurückkehren. Zuviel unentdecktes gibt es noch zu entdecken. Ich will die Stadt noch einmal durchwandern, vielleicht mit einem Buch von Rafik Schami im Gepäck, der noch nach mehr als 30 Jahren im deutschen Exil von seiner Heimatstadt träumt.

ich muß Ihnen noch Ahmed vorstellen…

…denn Ahmed wird uns während der „Arabia Felix – Tour“ begleiten. Ahmed ist, wie man auf neudeutsch sagen würde, ein cooler Typ. Auch wenn er auf die eine andere Frage keine Antwort kennt und viele der Sehenswürdigkeiten die wir besuchen werden niemals von innen gesehen hat – denn dazu müsste man ja laufen, kann man sich bei Ahmed auf zwei Dinge verlassen: er hat immer gute Laune und Humor und er kennt alle guten Restaurants zwischen Aleppo und Bosra. Wir werden also keine Not leiden. Als wir am ersten Abend beisammen sitzen, die Speisekarte im Restaurant durchblättern und es nach der leckeren Mezze um die Getränke geht, sieht Ahmed das wir alle ein Bier vor uns stehen haben. Im Spaß führt er ein Selbstgespräch: ….“will Ahmed have a beer tonight ? –Yes Ahmed will ! So einer ist das also, „unser“ Ahmed.

Euphrat   – Lebensader in der Wüste

Ich möchte hier keinen klassischen Reisebericht abliefern, nach dem Muster wir sind von A nach B gefahren haben C gesehen und so und so viele Kilometer zurückgelegt. Es sollen Impressionen sein, die den Leser vielleicht dazu verleiten, selbst nach Syrien zu reisen und diese für uns so fremde Welt, die von amerikanischen Präsidenten gerne in die Achse des Bösen einsortiert wird, zu entdecken.

Wer fährt schon nach Deir e-Zor, geschweige denn, wer weiß wo das überhaupt liegt ? Nun ganz ehrlich, ich wusste es nicht und wenn man nicht dort gewesen ist, hat man auch nichts wirklich wichtiges versäumt. Die Geschichte der Stadt hat einige dunkle Kapitel. Während der osmanischen Herrschaft errichteten die Türken dort ein Konzentrationslager in dem Tausende von Armeniern den Tod fanden. Eine Geschichte die bis heute nicht aufgearbeitet ist und noch immer zu den Spannungen zwischen Armeniern und Türken beiträgt.

Deir e-Zor ist nur noch 160 km von der irakischen Grenze entfernt und nach Bagdad sind es auch nur knapp 400 km. Dieser Weg ist uns jedoch versperrt. Wir wollen zu den antiken Stätten von Duro Europos und Mari. Duro Europos ist eine griechische Gründung aus der Zeit von Seleukos I., 300 v. Christus. Auf einem Plateau oberhalb des Euphrat gelegen, beherrschte die Zitadelle von Duro Europos lange Zeit die Handelswege in Mesopotamien, dem legendären Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris. Überfällen durch Parther und Sassaniden folgte die römische Eroberung und Besatzung bis 273 n. Christus der endgültige Zusammenbruch kam; wahrscheinlich weil der Euphrat seinen Lauf änderte und die strategische Bedeutung verloren ging. Heute stehen die Ruinen durch das trockene Wüstenklima wohl konserviert in der Ebene und führen wahrscheinlich zum Entzücken aller archäologisch Interessierten.

Wanderer kommst du nach Mari…….siehst Du auch nicht mehr als in Duro Europos ! Eher weniger ! Bei den freigelegten Lehmmauern unter einem unattraktiven Wetterschutzdach fällt einem schwer zu ermessen, das Mari bereits ím 4. vorchristlichen Jahrtausend eine Hochkultur war und man hier bei Ausgrabungen über 25.000 Keilschrifttäfelchen fand, die über das Leben zur Zeit der amoritischen Könige Auskunft geben. Im 17. Jahrhundert v. Chr. verbündeten sich Abkömmlinge des letzten Amoriten-Königs mit Hammurabi dem Herrscher über Babylonien und versetzten Mari den Todesstoß. Die Feuer in der einstmals so lebendigen Metropole sind auf ewig erloschen.

Als wir am Abend in Deir e-Zor zurück sind, sitzen wir auf der Terrasse des al-Jisr al-kebir Restaurants am Ufer des Euphrat, schauen hinüber zur beleuchteten Fußgängerbrücke, die den Fluss überspannt und blicken zurück auf einen „ruinösen Tag“.

Am nächsten Morgen brennt die Sonne schon früh vom Himmel. Wir machen unseren Weg entlang des großen Stroms, der an einigen Stellen mehrere hundert Meter breit ist. Wir winken den Fischern die Ihre Netze auswerfen, und werden wie überall in Syrien freundlichst zurück gegrüßt. Wo immer wir am Straßenrand halt machen um zu fotografieren werden wir schnell von Neugierigen umringt und gelöchert. Sei es von den Buben, die von Ihren Eltern zum Ziegenhüten geschickt wurden oder jenem Raubgräber der mich allen Ernstes fragte, ob ich ihm nicht einen Metalldetektor aus Deutschland schicken könne, die seien in Syrien so schwer zu bekommen.

Am Mittellauf des Euphrat erreichen wir gegen Mittag die „Schwesterburgen“ Halabiya und Zalabiya die vis-à-vis am Euphrat liegen und von der sagenumwobenen Königin Zenobia als Verteidigungsanlage im 3. Jahrhundert errichtet wurden. Dass starre Verteidigungsanlagen unsinnig sind, zeigt die Tatsache, das die Festungsanlagen schon kurz nach Ihrer Errichtung von den Römern eingenommen wurden. Nur drei Jahrhunderte und wechselseitige Eroberung durch Sassaniden und Byzantinern hat die Pracht gedauert. Auch Halabiya und Zalabiya hat der Mantel der Geschichte zugedeckt.

In der letzten Abendsonne erreichen wir bei Raqqa wo der Euphrat zum Assad-See aufgestaut wurde; militärisches Sperrgebiet, Paßkontrolle – was nimmt man nicht alles auf sich; denn wir wollen zur Festung Qal’at Djabr; aber das ist eine andere Geschichte.

Civis romanum sum – zwischen Palmyra und Bosra

Two thousand years ago the proudest boast was „civis Romanus sum“. Today, in the world of freedom, the proudest boast is „Isch bin ain bearliner“. Soweit John F. Kennedy. Nach dieser kleinen geschichtlichen Abschweifung kehren wir zurück in die Zeit in der civis Romanus sum etwas galt. Im Jahr 64 v. Chr. annektierte Pompejus die Region und gründete die Provinz Syrien. Bis ins 4. Jahrhundert dauerte die Herrschaft der Römer. In diese Spanne fiel die Regierungszeit so berühmter Cäsaren wie Augustus, Tiberius, Trayan und Hadrian. Rom war auf dem Höhepunkt seiner Macht.

Wir können und wollen im Rahmen unserer virtuellen Rundreise nicht alle römischen Monumente besuchen und beschränken unsere „Trümmer-Tour“ auf die Highlights. Schon auf dem Weg von Amman nach Damaskus haben wir mit Umm-Quays und Jerash zwei Ausgrabungen von Weltruf besichtigt. In Jordanien werden diese Höhepunkte römischer Baukunst massentouristisch vermarktet. Einschließlich „Brot und Spiele“. Dieser Historien-Klamauk verleidet einem ein wenig die Freude an dem Erlebnis. Das sieht in Syrien schon anders aus. Wir verlassen Damaskus in nordöstlicher Richtung auf guter Straße und werden schon bald darauf von der Wüste aufgesogen.

Ich diskutiere mit Ahmed ein wenig über Geschichte, (zur aktuellen Politik wage ich mich noch nicht vor), weil mir irgendwie der Satz von Prinz Feisal aus dem Film „Lawrence von Arabien“ nicht aus dem Kopf geht: „die Engländer sagt er,….die Engländer hatten schon immer Hunger auf öde Landstriche“. Das mag zwar richtig sein, stimmt aber im Bezug auf Syrien nicht. Bereits während der 1. Weltkrieg noch tobte und der Kriegsausgang ungewiss war; Lawrence und Prinz Feisal mit Ihrer Beduinen-Armee kämpften und von Groß-Arabien träumten, hatten Franzosen und Briten im Sykes-Picot-Abkommen den Kuchen schon unter aufgeteilt und das moderne Syrien, sowie der Libanon fielen an Frankreich. Doch ich schweife ab; eigentlich sind die Römer unser Thema.

Auf halber Strecke zwischen Damaskus und Palmyra liegt das Bagdad-Cafe. Ein Roadhouse der besonderen Art. Jeder, der sich in dieser Weltgegend herumgetrieben hat, kennt diesen Ort. Mindestens auf einen Tee muss man hier rasten. Dann geht es weiter.

Nahe an der Straße haben Beduinen Ihre Zelte aufgeschlagen. Wir halten an und es gibt wieder Tee; zu dem man immer eingeladen wird – das gebietet schon das muslimische Gebot der Gastfreundschaft. Zunächst will kein echtes Gespräch in Gang kommen. Was werden diese Leute von uns denken ? Kamerabehängte Europäer dringen in unsere Welt ein – was wollen die überhaupt hier ? Der Hausherr sitzt im Schatten des Zeltes, Teekessel und Glas vor sich, aber auch das Handy. Auch hier hat die Moderne Einzug gehalten. Schließlich muss man wissen, wie die Fleischpreise auf dem Basar in Damaskus stehen. Soll man Schafe und Kamele heute verkaufen oder lieber doch erst später ?

Es kommt so, wie es immer kommt. Der Schlüssel zum Dialog sind die Kinder, und von denen hat der Beduine einige. Kinder gehen mit fremdem und Fremden viel unverkrampfter und unbelasteter um, als wir Erwachsenen. Einfache Gesten wie Luftballons mit einem aufgemalten Gesicht und Bonbons, brechen das Eis, und sogar die Frauen im Lager kommen neugierig näher, und lassen sich am Ende stolz und selbstbewusst fotografieren.

Palmyra

Gegen Mittag zeigt das Thermometer über 35° im Schatten als vor uns schemenhaft in der vor Hitze flirrenden Luft die ersten Säulen auftauchen. Palmyra die „Palmenreiche“, große Oase in der syrischen Wüste. Auf halbem Weg zwischen Euphrat und Mittelmeer. Wir sind in der römischen Welt angekommen.

Gleich am Ortsrand erhebt sich der große Baal Tempel. Im ersten Jahrhundert nach Christus wurde dieser zu Ehren der höchsten mesopotamischen Gottheit errichtet. Rom soll den Bau bezahlt haben, um Palmyra für den Beitritt zum Römischen Reich zu belohnen. Beim Stichwort bezahlen; – der Eintritt für Syrer beträgt 15 Piaster und für Ausländer 150 Piaster. Weil man aber nur Eintrittskarten zu 15 Piaster gedruckt hat, bekommt der fremde Besucher gleich 10 Stück. Für den überwältigenden Eindruck der sich dem Besucher beim Eintritt bietet ist das ein günstiges Vergnügen. Als Fotograf kann ich mich hier gar nicht satt sehen und komme während der Tage in Palmyra gleich mehrfach zu verschiedenen Tageszeiten hierher.

Beim Verlassen des Tempels erblickt man auf der anderen Straßenseite ein riesiges Ruinenfeld einer antiken Stadt. Hier gab es alles was das Herz eines „civis Romanum“ erfreute, Kolonnaden, Thermen, Tempel, ein Amphitheater und in der Säulenhalle der Agora sollen einmal mehr als 200 Statuen gestanden haben. Wir betreten die Stadt wie einstmals die römischen Kaiser durch das Hadrians-Tor und laufen in Richtung des Tetrapylon der die Kulisse beherrscht, als uns drei würdige Herren in der traditionellen Tracht der Araber, – weiße Galabija, rot-weiß gemusterte Hatteh gehalten vom Iqal dem schwarzen doppelten Kordelring, – entgegenkommen. Ein einmaliges Bild das ich unbedingt fotografieren muss. Nachdem ich die Herren ungeniert angesprochen habe – frei nach Tucholsky „Als deutscher Tourist im Ausland muss man sich fragen, ob man sich anständig benehmen muss, oder ob schon andere deutsche Touristen dagewesen sind – entspinnt sich ein nettes Gespräch.

Einer der drei Männer stammt aus Basra, das ich aus meiner Zeit bei den britischen Truppen kenne. Er besucht seinen Vetter in Damaskus und der hat ihn zu einem Ausflug nach Palmyra mitgenommen. Nach dem Austausch von e-mail-Anschriften und dem Wunsch dass die Fotos auch ihren Weg nach Arabien zurückfinden mögen, geht jeder seines Weges. Interkultureller Dialog im Kleinen kann so einfach sein!

Am oberen Ende der Ruinenstadt erheben sich seltsame Türme. Die nobelsten Familien Palmyras erbauten diese, als Grabstätten für ihre Verblichenen mit Grabfächern auf mehreren Etagen, wundervoll verzierten Sakophargen, und das Ganze gleich auf Vorrat für mehrere Generationen.

Spät Nachmittags stehen wir auf einer Felskante und genießen den Blick auf Grabtürme und Römerstadt die die sinkende Sonne in pures Gold zu tauchen scheint. Palmyra die Palmenreiche, große Oase in der syrischen Wüste: die Erinnerung an die goldene Zeit ist verblasst, die Zeugnisse von Macht und Ruhm hat der Wüstensand zugeweht. Wird sie je auferstehen?

Bosra

Bosra liegt im Süden Syriens auf der kargen Ebene des Hauran, fast an der jordanischen Grenze. Im Gegensatz zu der leichten Architektur Palmyras wirkt Bosra, durch den schwarzen Basalt der zum Bau verwendet wurde, düster und bedrohlich. In unseren Tagen hat das moderne Bosra die alte römische Stadt längst umschlungen. Die römischen Ruinen haben als Steinbruch gedient und trotz alledem erkennt man die Einzigartigkeit der Anlage. Fast 80.000 Menschen hat Bosra in seiner Blütezeit beherbergt, davon alleine 25.000 Legionäre, die die Grenzen der römischen Provinz Arabia sicherten, deren Hauptstadt Bosra 106 n. Chr. wurde. Das Theater das von außen trutzig wie eine Festung wirkt und sicher zu allen Zeiten auch als solche gedient hat, bietet mehr als 15.000 Menschen Platz. Gerühmt wird die unvergleichliche Akustik, die bis heute für Konzerte genutzt wird. Auch auf der obersten Galerie der 37 Sitzreihen hört man aus dem 100 m messenden Rund noch die Dialoge auf der Bühne, die Hunderten von Akteuren Platz bietet. Der Bühnenvorraum konnte in einen See verwandelt werden. Man kann sich gut vorstellen, wie die johlenden Massen bei „Brot und Spielen“ jubelten.

Eine Legende ganz anderer Art rankt sich um das Kalybe-Heiligtum in Bosra. Danach soll einst eine Wahrsagerin der Tochter des Königs vorherbestimmt haben, dass sie an einem Skorpionstich sterben werde. Der König ließ darauf das Heiligtum auf hohen Säulen errichten und seine Tochter dort verwahren. Speis und Trank erhielt das Mädchen in einem hochziehbaren Korb. Eines Tages waren bei den Speisen süße Trauben, unter denen sich ein Skorpion verbarg. Der Ausgang der Geschichte ist bekannt.

Die Menschen in Bosra glauben diese Geschichte. Sie enthält eine Kernaussage des Islam: dass es eine Bestimmung gibt und dass man auch verlieren kann, was man am meisten liebt. So ist das auch mit Bosra, von den 80.000 Römern die einst hier lebten sind nur steinerne Monumente gebleiben, doch ihr Geist lebt noch an diesem magischen Ort.

Apamea

Ein Ort ganz anderer Art ist das zwischen Lattakia und Hama gelegene Apamea. Es war schon während der Altsteinzeit besiedelt wird aber erst von Bedeutung als Seleukos ein makedonischer Feldherr Alexanders des Großen und späterer König ihr den Namen seiner persischen Frau Apamea verleiht, und die Stadt zu neuer Blüte führt. Mit der hellenistischen Herrlichkeit ist es vorbei als 64 n. Chr. die Römer die Stadt besetzen. Aus jener Zeit stammen die meisten Gebäude, die wir heute in Apamea sehen, unter anderem die 2 km lange und 40 m breite Säulenallee die einzigartig ist. Als wir am späten Nachmittag Apamea erreichen, werfen die dorischen, ionischen und korinthischen Säulen bereits lange Schatten auf das Pflaster das einst unter den Schritten von Legionen und dem Hufschlag schwerer Reiterei geächzt haben mag. Es ist himmlisch ruhig. Keine lärmenden Touristen stören den Frieden der über Apamea liegt. Wir sind die einzigen Besucher. Der Wächter in seinem Ticketoffice verkauft uns für 150 Piaster die Eintrittskarten; sichtlich irritiert, dass man ihn noch so kurz vor Feierabend aus den Träumen weckt.

Begleitet werden wir bei unserem Weg durch die Stadt von einigen windigen Gestalten, die Antikes anpreisen: „Look Sir, I found this coin of Seleukos between the ruins, very early this morning. Look, Sir very cheap – I have five children…….“ Aber auch die Händler haben wir bald hinter uns gelassen; und dann ist da nur noch ein Junge auf einem Esel, der am Rande der Ruinenstadt Ziegen hütet. Ja; denke ich bei mir, so wird es wohl auch zu Zeiten der schönen Apamea gewesen sein.

Aleppo – …oder wie viel macht 4 x 4 ?

Was macht für Menschen aus dem Westen den Orient aus ? Das laute hektische Treiben auf den Straßen, die Ruhe in den Moscheen, das Feilschen beim Tee im Basar. In Aleppo ist es genau das. Eine wohldosierte Mischung arabischen Lebens. Aleppo ist der Marktplatz im Nahen Osten.

Bevor wir uns auf diesem Marktplatz umschauen, wollen wir uns zuerst einen Überblick über die Stadt verschaffen. Den besten Blick hat man von der prächtigen Zitadelle, die einst Residenz der Mamelukkensultane war. Hier oben auf dem Burgberg soll Abraham, den zwei Weltreligionen als Stammvater verehren, seine Ziegen gehütet und gemolken haben. Der Legende nach sollen Abrahams Nachbarn allmorgendlich nach der Milch gefragt haben: „Ist schon gemolken? oder Halaba ya la ?“. So soll die Stadt zu ihrem semitischen Namen gekommen sein: Halab.

Von der Zitadelle aus machen wir unseren Weg in Richtung Antiochia-Tor. Es ist der Eingang zum größten Basar der Welt. Um diesen Titel konkurriert Aleppo mit Damaskus, Isfahan oder Sana’a. Gleich am Eingang treffen wir Ala Edin der uns sofort als Deutsche eintaxiert und fließend in unserer Sprache begrüßt. Ahmed und „Aladin“ begrüßen sich herzlich, sie sind alte Bekannte. Den deutschen Wortschatz verdankt Aladin nicht dem Umgang mit deutschen Touristen, obwohl dieser auch nützlich ist, sondern dem Umstand das er als syrischer Meister im Bodybuilding für die Weltmeisterschaft trainiert die im nächsten Jahr in Deutschland stattfindet, und da muss er schließlich vorbereitet sein.

Natürlich, – wie könnte es anders sein, hat Aladin auch einen Laden im Basar. In dem Viertel in dem Juweliere und Silberschmiede Ihre Preziosen anpreisen, liegt sein Geschäft und er bringt es auch fertig uns bei Tee und Cola seine Kollektion zu zeigen. Schöne Schmuckstücke fertigt der muskelbepackte Schwerathlet. Ob er die vielen feinen Perlen mit den baggerschaufelgroßen Händen auffädelt, mit denen er ansonsten die Hanteln stemmt ? Was soll’s ! Abgekauft haben wir ihm am Ende doch etwas.

Der Suk – der Basar ist ein Labyrinth aus großteils überdachten Gassen. Es gibt fast nichts was es hier nicht gibt, Stoffe Teppiche, Schuhe, Kaffee, Gewürze, Eisenwaren, Brautkleider und Schmuck, Schmuck, Schmuck.

Bevor wir den Basar verlassen bleibt am Ende nur noch eine Frage zu klären. Wie viel macht nun 4 x 4? Na, sagt der arabische Händler isses im Einkauf sind’s 14 isses im Verkauf sind’s 18 !

Mit Feuer und Schwert

Mahatma Ghandi schrieb „Die Religionen sind verschiedene Wege, die alle zu dem gleichen Punkt hinführen, was bedeutet es, dass wir verschiedene Pfade benützen, wenn wir doch das gleiche Ziel erreichen? In Wirklichkeit gibt es ebenso viele Religionen wie Individuen“. Kreuzritter und Sarazenen haben Ghandi nicht gekannt, aber Religion ist bis heute ein willkommener Zankapfel geblieben um Machtansprüche durchzusetzen oder sich unter deren Deckmantel wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Zur Zeit der Kreuzzüge versuchte der europäische Adel, legitimiert durch den Papst, sich Landbesitz im heiligen Land zu sichern. Ganz bestimmt werden unter Ihnen auch ehrenwerte und fromme Männer gewesen sein, doch die Mehrzahl waren wohl Glücksritter und Abenteurer.

So imposant die Kreuzritterburgen auch sein mögen, sind sie doch Zeitzeugnisse „menschlicher Dummheit“. Wir haben die Saladinsburg, Kerak und Shobak besucht und zu jeder Trutzburg ließe sich eine Menge erzählen. Doch soviel „Dummheit“ mag ich nicht mehr Raum geben als notwendig, und beschränke mich an dieser Stelle auf die Qal’at Djabr am heutigen Assad-See, die mir wegen ihrer atemberaubenden Lage am Euphrat immer in Erinnerung bleiben wird und den Krak des Chevaliers, der es sogar zum Weltkulturerbe gebracht hat.

Auf dem Weg von Raqqa in Richtung Aleppo sieht man es schon aus der Ferne, das Qal’at Djabr. Hoch über dem Seeufer gelegen. Aufgrund der Bedeutung, die der Assad Stausee für die Energieversorgung Syriens hat, wird dieses Gebiet heute wie zu Zeiten der Kreuzritter militärisch bewacht und wir müssen bevor wir den Staudamm passieren; Paß- und Fahrzeugkontrolle über uns ergehen lassen.

Nicht weit von der Kontrollstelle entfernt halten wir an einem kleinen Park. Ich schnappe mir Stativ und die schwere Kameraausrüstung. Ahmed schmunzelt. Wahrscheinlich denkt er; ohne das er mich das spüren lässt, warum schleppt dieser Idiot sich so ab. Auf den Parkbänken am Seeufer genießen Syrer die letzten Strahlen der wärmenden Oktobersonne. Ich bin enttäuscht. Die Burg liegt im Dunst und dann auch noch im Gegenlicht. Ahmed sieht die Enttäuschung in meinem Gesicht und wir packen schnell zusammen und verlassen den Ort meiner Niederlage. Immer weiter nach Westen am Euphrat entlang führt unser Weg, eine Wegkehre nach der anderen nehmen wir und plötzlich wie von Zauberhand liegt sie greifbar nah vor uns das Qal’at Djabr; im besten Abendlicht. Die Wogen des Sees klatschen gegen die Uferfelsen und erzeugen ein bisschen Gischt. Ahmed grinst mich an, als wolle er sagen – na, hab ich’s nicht gleich gesagt? Die Geschichte der Burg ist schnell erzählt. Die Festung an der strategisch bedeutsamen Stelle bestand schon bevor die Kreuzritter diese im 12. Jahrhundert ausbauten. Mehr als 100 Jahre schwappte das Kriegsglück über den alten Mauern hin und her. Nachdem die Kreuzritter den Stützpunkt aufgaben, hatten die Muslime nicht viel Spaß an ihrer Eroberung die im Mongolensturm des 13. Jahrhundert endgültig in Schutt und Asche fiel.

Krak des Chevaliers

Anders sieht das mit dem Krak des Chevalíers aus. Die aus weißem Kalkstein erbaute Kreuzritterburg steht auf einem Ausläufer des Alawitengebirges und beherrscht das Tal zwischen hier und dem Libanon-Gebirge. Weithin leuchtet sie als Signal des Herrschaftsanspruches christlicher Verblendung. Bereits im Jahr 1031 entstanden erste Wehranlagen 1031 auf diesem Höhenzug. Die Kreuzritter kamen im Jahr 1112 an. In den Jahren 1157 und 1170 erschütterten schwere Erdbeben die Region und führten zu massiven Zerstörungen. Warum haben die Menschen dies nicht als Warnung genommen, und das Schlachten beendet ? War es nicht ein Zeichen Gottes in einer Zeit, in der man noch viel auf solche Zeichen gab ? Im Jahr 1188 belagerte Sultan Saladin die Burg ohne Erfolg. Erst 80 Jahre später unterlagen die Verteidiger, – Ritter des Johanniterordens -, Sultan Baibar und mussten sich endgültig zurückziehen.

Ich frage mich immer, was wir aus Geschichte lernen ? Mein persönliches Fazit fällt hier eher pessimistisch aus. Ich denke wenig bis gar nichts. Fünf Jahrhunderte später zerfleischten sich Katholiken und Reformierte im 30-jährigen Krieg, Hitlers Rassenwahn war vom Hass auf die Juden geprägt. Hindus und Moslems kämpfen in Kaschmir gegeneinander, Israel lebt mit seinen Nachbarstaaten seit der Staatsgründung in ständigem Konflikt. Katholiken und Protestanten schlagen sich in Nordirland seit der Battle of Boyne im Jahr 1690 die Köpfe ein. Islamistische Wirrköpfe kämpfen im Dschihad gegen alles, was nicht in ihr Weltbild passt, auch wenn das weder durch den Koran noch durch die Lehren des Propheten Mohamed eine Rechtfertigung findet.

Ist Religion Opium für das Volk, wie Lenin meinte ? Der endlos schwelende Konflikt in Palästina, die unsichere Situation im Libanon und dem Iran, die Kriege in Afghanistan und dem Irak rufen alte islamische Ängste wach, vor modernen Kreuzrittern, die mit Feuer und Schwert in ihr Land kommen.

Ich habe diesen Abschnitt mit einem Zitat Mahatma Ghandis begonnen und möchte es mit einem Ausspruch Bismarck’s, der alles andere als ein Pazifist war, schließen: „Wer seine Ansichten mit anderen Waffen als denen des Geistes verteidigt, von dem muss man annehmen, das ihm die Waffen des Geistes ausgegangen sind“.

Tote Städte   –   von Säulenheiligen und der Kuh in der Kirche

Rund um Aleppo verstreut liegen die „Toten Städte“. Früh am Morgen brechen wir nach Norden in Richtung türkische Grenze auf, zum Qal’at Seman – dem Simeons-Kloster. Entlang der Straße haben Händler ihre Obststände aufgebaut. Leckere Äpfel, und volle, schwere Trauben-Pergel bestimmen das Angebot.

Um 9:00 Uhr öffnet das Kloster. Es geht bergan. Wir laufen durch lichten Kiefernwald. Angenehmer Kiefernduft strömt uns in die Nase. An diesem Ort „Heiliger“ zu sein, war nicht das schlechteste. Simeon war ein seltsamer Mann. Nachdem er als Eremit auf dem Berg Einzug gehalten hatte, eilte ihm bald der Ruf voraus nicht nur das Christentum zu predigen, sondern auch mildtätig zu sein und manche Krankheit zu heilen. Der Pilgerstrom zur Einsiedelei nahm zu, und dem frommen Mann die Ruhe. Um seinen Glauben wieder ungestört ausüben zu können bestieg er eines Tages eine 20 m hohe Säule und verharrte dort für den Rest seines Lebens. Damit hatte er gleich zwei Dinge erreicht; er war den Menschen entrückt und gleichzeitig seinem Gott näher gekommen. Der Geschichte nach starb Simeon im Alter von 70 Jahren im Jahr 459. Die Gebäude des Klosters inmitten deren Ruinen wir stehen wurden erst lange nach Simeons Tod errichtet. All dies wusste ich nicht, und neben den historischen Hintergründen erhellt es auch, warum wir merkwürdige Menschen noch heutzutage als Säulenheilige bezeichnen.

Die Gegend rund um Idlib in der auch das Simeons-Kloster liegt; bis hin zur Grenze der türkischen Provinz Antakya ist fruchtbares Land. Die besten Oliven kommen von hier. Als wir weiterfahren sehe ich auf einem Feld Bauern bei der Paprikaernte. Dem Farbenspiel kann ich nicht widerstehen. Wir halten und machen uns mit Händen und Füßen verständlich, bis Ahmed uns zur Hilfe eilt. Schnell ist die Brücke geschlagen. Der Bauer hat die ganze Familie eingespannt, Bruder, Frau, Kinder, Schwägerin, Cousin, Nichten und Neffen. Alle müssen mithelfen um das Familieneinkommen zu sichern. Ein riesiger Haufen des roten Gemüses liegt bereits in der Mitte des Feldes und wird in Säcke verpackt um auf den Märkten zwischen Aleppo und Homs feilgeboten zu werden. Es wird eine ausgelassene Fotosession an der Alle Ihren Spaß haben; doch die Beschenkten am Ende, das sind wir ! Es sind uns nicht nur gute Fotos gelungen, sondern wir tragen auch einen Sack Paprika nach Hause.

In der Region rund um Aleppo gab es viele ur-christlicher Gemeinden. Vom 3. bis zum 5. Jahrhundert entstanden rund um al-Bara und Qalb Lauza zahlreiche Sakralbauten von einfacher aber anziehender Schlichtheit. Eingebetet in die Olivenhaine, die die Landschaft prägen fühlt man sich fast zurückversetzt in die Zeit in der die Jünger Jesus auf den staubigen Straßen Palästinas folgten oder Paulus das Wort seines Herrn hinaus in die Welt trug.

Was ist von den Christen in Syrien geblieben ? Man kann es ganz knapp ausdrücken: „9%“ oder was die Situation vielleicht noch besser beschreibt; – eine schwarz-bunte Kuh die sich als Schutz vor der Mittagshitze Schatten im verfallenen Kirchenschiff von al-Bara sucht. Auch wenn in der Weihnachts-geschichte gar nichts von Ochs und Esel geschrieben steht; – hier liegt zumindest schon einmal die Kuh in der Kirche.

Sirjilla

Während sich um die toten Städte im Norden überall neue Ansiedlungen bildeten, ist Sirjilla südlich von Aleppo gänzlich unbewohnt. Trotzdem zählt Sirjilla für mich zu einem Höhepunkt der gesamten Reise. Als wir dort spät nachmittags ankommen, liegt sie ganz unvermittelt vor uns, eine gut erhaltene Stadt aus dem 5. Jahrhundert. Alles ist noch genauso wie die einstigen Bewohner es verlassen haben, das Hammam, die Kapelle, viele Bürgerhäuser, Zisternen und nicht zuletzt der große Kirchenbau. Im 7. Jahrhundert als die Araber die Gegend eroberten wurde die Siedlung aufgegeben; nur 200 Jahrhundert Jahre war sie bewohnt. Man kann sich vorstellen, wie groß die Furcht der Christen vor den Muslimen gewesen sein mag und wie wenig gefestigt der Glaube an „Ihren“ Gott – wie groß die Sehnsucht war, ihren Glauben unbehelligt ausüben zu können. Was hätte Jesus wohl dazu gesagt ? vielleicht: …..oh ihr Kleingläubigen, wisset ihr nicht, das Muslime auch Menschen sind ? Bedenket; es sind Eure Brüder !

Als Sirjilla ein letztes Mal groß im Rückspiegel unseres Autos auftaucht, fällt mir ein Wort des Literaturnobelpreisträgers William Faulkner ein, das mir gut zu passen scheint: „Das Vergangene ist nie tot; es ist nicht einmal vergangen !“

Zwischen Kreuz und Halbmond

Die Religion lässt einem nicht los in diesem Syrien. Vielfältig sind die Formen, nach denen man seelig werden kann. Im Hauran was wörtlich soviel bedeutet, wie schwarzes Land; einer kargen Gegend im Südwesten Syriens die von frühem Vulkanismus zerfurcht ist, hat sich die Glaubensgemeinschaft der Drusen angesiedelt. Als Begründer dieser Religionsgemeinschaft gilt der Schiit Mohamed al-Darazi von dem sich auch der Name „Drusen“ ableitet. Bereits im 11. Jahrhundert kamen die Drusen in die Gegend um Shahba und Suwaida. Der Glaube der Drusen lehnt sich an den Islam, und wird stark von ismaelitischen Traditionen geprägt. Druse ist man von Geburt. Man kann nicht einfach zu diesem Glauben übertreten, und Drusen entwickeln auch keinerlei missionarischen Eifer. Ihre Religion lässt nur eine genau feststehende Zahl an Mitgliedern in allen Welten zu. Das heißt in jeder Zeit Ihres irdischen Lebens existieren nie weniger oder mehr Mitglieder.

In der Zeit der französischen Kolonialverwaltung kam es in den Jahren 1925 – 1927 immer wieder zu bewaffneten Aufständen an deren Spitze sich die kämpferischen, unbeugsamen Drusen stellten. Um den Widerstand zu brechen, richteten die Franzosen ein Massaker unter ihnen an, und stellten die Leichen der Aufrührer auf dem Marktplatz von Damaskus aus. Genutzt hat das nichts. Die Franzosen mussten Syrien im Jahr 1946 in die Unabhängigkeit entlassen und die Drusen kehrten zurück in ihre Heimat, den Dschebel ad-Duruz.

Wir sind auf dem Rückweg von Bosra nach Damaskus nach Suwaida gefahren. Das liegt auf dem Weg. Wir schlendern ein wenig durch die Gassen der Stadt, die wenig Aufregendes bietet. Man kommt schwer in Kontakt mit diesen Menschen die gerne unter sich und Ihresgleichen bleiben. Das einzige Erlebnis, welches mir vom Besuch in Suwaida in Erinnerung bleiben wird, ist ein alter Mann, der auf einem Stuhl vor der Tischlerei seines Sohnes sitzt. Ich frage, ob ich ihn fotografieren darf. Er nickt stumm. Als ich ihm das Bild auf dem Display der Kamera zeige, strahlt er mich an, segnet mich, drückt mich an die Brust und küsst mich auf die Wange.

Nur einen Steinwurf von Damaskus entfernt liegt Maalula. Wenn man den Beschreibungen in den Reiseführern glaubt, ein Ort so schön und einzigartig wie sonst kaum einer in Syrien. Das kann man so sehen. Einzigartig an Maalula ist, dass man hier aramäisch spricht, ein semitischer Dialekt der vor fast 1200 Jahren ausgestorben ist. Einzigartig sind auch die Bausünden in Maalula. Die sich an einen Hügel schmiegende Dorfsilhouette wird von einem klotzigen Hotelneubau zerstört. Das Kloster des Heiligen Sergius, das zu den ältesten Bauten der Christenheit zählt, hat eine hohe Umzäunung erhalten, und das Kloster der Heiligen Thekla krönt eine Leuchtreklame, die jeden darauf hinweist, das er hier richtig ist – aber ich, ich bin hier falsch.

Wenn man Antoine de Saint Exupéry vertraut, das man die schönste Überraschung dort erlebt, wo man sie am wenigsten erwartet, dann ist das Kloster von Sayyid Naya eine solche Überraschung. Das griechisch-orthodoxe Kloster, ein in Syrien bekannter Wallfahrtsort, thront hoch über dem Dorf.

Der Legende nach, soll das Kloster eine Gründung Kaiser Justians aus dem 6. Jahrhundert sein, ihm erschien Maria während einer Jagd in Gestalt einer Gazelle, sie floh vor dem byzantinischen Kaiser und verwandelte sich in eine Ikone. Sie befahl Justian an diesem Ort ein Kloster zu erbauen. Die Marien-Ikone kann bis auf den heutigen Tag besichtigt werden, und ist das Ziel der Wallfahrer und Pilger. Das Kloster erreicht man über einen Aufzug. Spätestens da wird einem klar, das der Klosterbau wohl nicht aus Justians Zeit stammt. Oben angekommen, wird man überwältigt von einer Ruhe und Spiritualität die nicht durch Lärm und Hast gestört wird. Die wenigen orthodoxen Schwestern, die das Kloster am laufen halten, betreiben ein Kinderheim und sammeln Spenden zum Erhalt des heiligen Ortes.

Unser letztes Ziel ist etwas für „sportliche Gläubige“. Die Einsiedelei von Dair Mar Musa liegt sehr abgelegen und ausgesetzt in der rauhen Berglandschaft von an-Nebek. 398 Stufen sind es vom Parkplatz bis ins Paradies. Jedem der den Aufstieg in Angriff nehmen will, sei empfohlen, dies ohne schweres Gepäck zu tun.

Obwohl es an diesem Ort schon in frühchristlicher Zeit ein Kloster gegeben haben soll, ist das Kloster in seiner heutigen Form „erst“ vor ungefähr 1400 Jahren entstanden. Wie alte Schriften uns glauben machen, wurde das Kloster durch einen abessinischen Fürsten namens Moses gegründet. Im 17. Jahrhundert wurde das Kloster aufgelassen. Erst vor 25 Jahren, war es der Jesuitenpater Paolo Dall’Oglio der aus Rom hierher zum Meditieren kam und blieb. Heute leben in der kleinen Gemeinschaft fünf Mönche und zwei Nonnen.

Der Gast, der den Aufstieg geschafft hat, darf gerne über Nacht bleiben. Feste Übernachtungspreise gibt es nicht, es wird erwartet, dass der Gast sich ins Klosterleben einbringt und da kann es vorkommen, das man die ganze Bettwäsche des Klosters von Hand waschen darf. So wie der heilige Benedikt es vorgesehen hat: „Ora et labora“.

…von Petra nach Wadi Rum   –   auf den Spuren von Lawrence von Arabien

Als wir morgens in Damaskus aufbrechen und uns von Ahmed verabschieden müssen, verdrücken alle ein Tränchen. Schade, das wir dieses schöne Land verlassen; aber wir haben fest vorgenommen zurückzukehren. Zu vieles ist noch unentdeckt; und wir wollen mehr Kontakt zu den Menschen knüpfen, die uns wo auch immer so freundlich aufgenommen haben. In Sichtweite der Golan-Höhen erreichen wir bei al-Ramtha den Grenzübergang nach Jordanien. Das Bild des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad blickt uns etwas grimmig hinterher und ein Bildnis des jungen jordanischen Königs Abdullah begrüßt uns. Die Ausreiseformalitäten sind schnell erledigt. Am späten Nachmittag sind wir schon in Amman.

Ich bin mehrfach als Korrespondent hier gewesen. Im ersten, wie auch im zweiten Golfkrieg. Jedes Mal scheint Amman einen gewaltigen Sprung zu machen. Lässt man einmal die Golfstaaten außen vor, ist Amman ein teures Pflaster, und man fragt sich wie ein „Otto-Normal-Jordanier“ sich dieses Leben leisten kann. Das kleine Haschemiten-Königreich hat sich am Westen orientiert. Rania, die flotte junge Königin hat sich die Förderung des Tourismus auf die Fahne geschrieben. Dass dies auch Schattenseiten hat, sehen wir anderntags in Madaba, am Mount Nebo, und am Toten Meer. Pilgertourismus, im Minutentakt – Ballermann für religiös Bewegte; denn da wo der heilige Vater erst kürzlich gebetet hat, muss man auf jeden Fall gewesen sein.

Tags darauf entfliehen wir diesem Rummel um ihn gegen den Rummel von Petra einzutauschen. Auf dem Weg dorthin machen wir noch einen Abstecher zur Kreuzritterburg von Kerak, aber bald schon rollen wir auf guter Straße weiter nach Süden. Die Straße nach Aqaba hatte ich schlechter in Erinnerung; frisch geteert mussten links und rechts Schattenspender für die Verkehrspolizei gebaut werden, damit die Herren Polizisten bei den Radarkontrollen keinen Sonnenstich bekommen. Schließlich ist es auch eine lohnende Einnahmequelle, die gutbetuchten arabischen Brüder aus Saudi-Arabien oder den Golfstaaten abzukassieren, die in dicken Limousinen nach Damaskus oder ins sündige Beirut unterwegs sind.

Gegen Mittag wird die Landschaft karger und wir nähern uns dem Wadi Musa in dem Petra liegt. Kurz vor Petra biegen wir von Straße ab, und stehen schon bald vor einigen Beduinenzelten, die sich beim näheren Hinsehen als Souvenirshops mit T-Shirts, Ansichtskarten und überteuerter Cola erweisen. Hier ist der Eingang nach Klein-Petra, ein schmaler, tief eingeschnittener Canyon, die Felsbauten nicht von solch architektonischer Pracht, wie die der großen Schwester, aber dafür kann man hier in Ruhe und ungestört wandern.

Petra ist Weltkulturerbe. Für mich gehört es ganz sicher auf eine Stufe mit den Pyramiden von Gizeh, Abu Simbel oder dem Taj Mahal. Petra heißt im griechischen soviel wie Fels. Erste Besiedelungsspuren deuten ins 9. Jahrtausend v. Chr. Die Nabatäer, die der Stadt ihr Gesicht gaben, waren zusammengewürfelte Nomadenhorden aus dem Norden, und siedelten sich erst 1000 Jahre vor der Zeitenwende im Land zwischen dem Roten Meer und Toten Meer an. Seine größte Ausdehnung ereichte das Nabatäer-Reich während der Regentschaft von König Aretas III. in der Zeit zwischen 87 – 62 v. Chr.

Dem Herrscher, seinen Baumeistern und ungezählten Sklaven verdanken wir die steingewordenen Monumente des Schatzhauses Khazneh al-Firaun, des Palastes der Pharaonentochter Qasr el Bint Faraun, oder die Gräber in der Königswand des El-Hupta-Massivs. Das römische Theater und die byzantinische Kirche entstanden erst viel später, als die römischen Eroberer ihre Spuren in der Stadt hinterließen.

Ja; und wer hat’s er(ge)funden ? Der in Vergessenheit geratene Schweizer Arabienreisende Johann Ludwig Burckhardt entdeckte Petra im Jahr 1812 wieder für unsere Geschichtsbücher, und der berühmte T.E. Lawrence schrieb: „Petra ist der herrlichste Ort der Welt“. Er war aber auch der Meinung jede Beschreibung müsse vor dem eigenen Erleben der Stadt verblassen.

Mit T.E. Lawrence’s Ansichten im Gepäck mache ich mich schon früh am Morgen auf zum Siq, dem Talkessel in dem Petra verborgen liegt. Ich will am Khazneh al-Firaun sein, bevor sich die Touristenmassen aus den Hotels, verstärkt durch die Tagesausflügler aus Amman und dem ägyptischen Taba durch den Canyon schieben. Der Plan ist gut, die Ausführung eher mittelmäßig.

Nachdem ich am Visitorcenter JD 21,– berappt habe – das ist ungefähr auch gleich viel in Euro, stehe ich Punkt 7:00 Uhr vor dem Schatzhaus, habe Stativ und Kamera aufgebaut und warte. Nach gut einer Stunde kommen die ersten Besucher durch den Canyon und noch immer liegt auf den Säulen des Portals kein einziger Sonnestrahl.

Zwischenzeitlich hat der Shuttle-Service mit Eselskarren und Pferden zwischen Visitorcenter und Talgrund eingesetzt, und einer der Kutscher lässt meine zwischenzeitlich gewonnene Einsicht, dass die Sonne vor 9:30 Uhr nicht über die Felsen kommt, zur Gewissheit werden.

Als die Sonne die Fassade endlich ins erste Morgenlicht taucht, ist der Touristenstrom zu beachtlicher Größe angeschwollen. Es gelingen mir gute Bilder – aber für das Ziel das ich vor angestrebt hatte eben auch nur mittelmäßige. So bleibt mir T.E. Lawrence, denn meine Erinnerungen an diesen Morgen werden nie verblassen.

Den ganzen Tag bin ich noch in Petra unterwegs. Die Sonne brennt gnadenlos vom Himmel auf den Fels, der die Wärme speichert. All das nimmt man gerne auf sich, und kann gar nicht genug staunen und in sich aufsaugen. Hier endet die Beschreibung der schönsten Stadt der Welt. Wenn Sie mehr wissen möchten, müssen sie sich selbst auf den Weg machen.

Wadi Rum

Ein letztes Highlight hält unsere Reise durch das glückliche Arabien noch bereit. Der Tiefe Süden. Wadi Rum liegt nicht weit von der saudischen Grenze entfernt. Es wird eine Wallfahrt auf den Spuren eines Mannes der aus dem grünen Caernarfonshire in die Wüste kam. Sein Einfluss auf den Lauf der Ereignisse wird überschätzt und auch er selbst wusste, wie schwach er in Wirklichkeit war. Wer erinnert sich an Alois Musil oder Gertrude Bell ? Persönlichkeiten die ungleich mehr in der arabischen Frage bewegten als eben jener „Lawrence von Arabien“. Trotzdem ist er eine faszinierende, weil schillernde Persönlichkeit.

Im Wadi Rum soll er zum ersten Mal mit den Beduinen-Fürsten zusammengetroffen sein, hier wurde die Idee von der Einnahme Aqabas, des arabischen Aufstandes, und eines geeinten Arabiens mit Damaskus als Hauptstadt, geboren. Am Ende blieb es das was es war, ein Traum ! Andere, im fernen Europa hatten am Kartentisch bereits über das Schicksal der arabischen Völker entschieden.

Am frühen Nachmittag kommen wir in Wadi Rum an und machen Quartier im Captains Camp. Für den späten Nachmittag haben wir einen Jeep und einen „geländetauglichen“ Fahrer bestellt, denn im tiefen, warmen Sand kommt man nur so vorwärts. Touristen sind hier kaum unterwegs, ruhig und wie am ersten Tag der Schöpfung liegen die Wüste und die daraus hervorragenden Inselberge vor uns. Es ist ein unvergesslicher Eindruck. Was macht es da, das unser „geländegängiger“ Fahrer die berühmten „Sieben Säulen der Weisheit“ gar nicht zu kennen scheint und uns zum Sonnenuntergang zu einem ganz anderen Punkt fährt.

Gegen 18:00 Uhr ist es zu dieser Jahreszeit bereits stockdunkel im Wadi Rum. Nach dem Abendessen stehen schon alle Sterne am Firmament, und sind in der klaren Luft bei Neumond besser zu sehen als sonst irgendwo. Weist Du wie viel Sternlein stehen ? heißt es in einem Kinderlied zur guten Nacht. Auch wir geben früh schlafen, denn ich habe mit Omar Hamdzi vom Royal Jordanian Aero Sports Club schon vor Monaten abgemacht, das wir eine Ballonfahrt über das Wadi machen wollen, sofern das Wetter es zulässt. Wir hoffen das Beste.

Um 5:45 Uhr stehen wir leicht fröstelnd vor dem Camp und warten. Es weht ein stetiger Wind nach Westen. Keine guten Voraussetzungen für die Ballonfahrt, denn dort liegt Israel und da will hier niemand hin – das kann zu diplomatischen Verwicklungen führen. Gegen 6:00 Uhr fährt ein Pick-up vor. Am Steuer sitzt Laszlo, ein verrückter Ungar, der während der Fahrt sein Frühstück  bestehend aus einem Erdbeer-Shake und Paprika-Chips einnimmt. Isst man das heutzutage so ? Egal. Wir fahren mehr als 1 Stunde durch die Wüste, bis wir zu einem Platz kommen, an dem Captain Khaled mit dem Ballon auf uns wartet.

Er entscheidet: „Wir fahren“ ! Schnell ist der Korb aufgestellt, die Hülle ausgebreitet und die Brenner angeworfen. 15 Minuten später heben wir ab. Up, up and away in a beautiful balloon ! Immer höher steigen wir. Unter uns gleitet die Wüste ruhig und still dahin – ich hänge meinen Gedanken nach, die wieder einmal die eines anderen sind:

„Für die Grübler in den Städten ist der Drang in die Öde stets unwiderstehlich, gewesen. Wohl nicht, weil sie Gott darin fanden, sondern weil sie in der Einsamkeit mit größerer Klarheit die lebendige Stimme hörten, die sie in sich trugen“. (T. E. Lawrence)