Santorin – Lichtstrahl im Olymp

Ich höre sie schon, die Kritikaster; – „Santorin; was willst du denn damit, das ist doch so interessant wie ein abgelutschter Drops ?“. All jenen, die jetzt nicht weiterlesen, kann ich nur sagen, dass es in Oia an einer kleinen Weggabelung einen T-Shirt-Laden gibt, in dessen Auslage ein T-Shirt mit der Aufschrift „F*ck google – Ask me“ liegt. Das Weiterlesen lohnt also vielleicht doch.

Um die Schönheit Santorins zu entdecken, muss man mit mehr als einem Auge hinschauen. Wer nur mit einem Auge schaut, der sieht in der Ferne die Insel Ios, auf der das Grab des großen Homers liegen soll. Aber der war bekanntermaßen blind und konnte die Schönheit Santorins nicht sehen. Aus seiner Feder stammen so epochale Werke wie „die Odyssee“, die mit folgenden Worten beginnt:

„Nenne mir Muse den Mann, den vielgewandten, der vielfach irrte umher, nachdem er die heilige Troia zerstörte. Viele Menschen, Städte und Wesen schaute sein Auge, vielerlei Leiden ertrug sein Herz auf den Fluten des Meeres…..

Reisen Sie also mit nach Santorin.

Wie alles begann…

Der Olymp; – das ist der Ort wo die Götter hausen ! Dort, wo sich Zeus, Apollon und Aphrodite ein Stelldichein geben. In der griechischen Mythologie, ist der Olymp der Berg der Götter, ein lichtdurchfluteter Ort, wie Santorin.

Wo liegt er nun; – dieser Olymp ? Er ist das höchste Gebirge Griechenlands und erstreckt sich entlang der Ostküste. Die höchsten Gipfel ragen über 2.900 m auf. Weniger bekannt ist, dass der berühmte deutsche Wüstenforscher Heinrich Barth den Olymp im Jahr 1862 erstbestiegen hat.

Eng verknüpft mit Santorin ist die Legende um das sagenumwobene Atlantis. Der große Philosoph Platon berichtet als erster von jenem mythischen Inselreich, das jenseits der „Säulen des Herakles“ gelegen haben soll. 9600 v. Chr. soll Atlantis in nur einem Tag und einer unglückseligen Nacht untergegangen sein. Wenn man abends bei Sonnenuntergang vom Akrotitri Lighthouse über den riesigen Einbruchkrater hinüber nach Fira, Imerovigli und Oia blickt, vermag man sich das Ausmaß an Urgewalt vorzustellen, – als die Erde aufbrach und große Teile von Santorin verschlang. Wahrscheinlich gehört aber auch diese Geschichte in die Rubrik: „Es war einmal…“

Schon vor langer Zeit haben Geologen nachgewiesen, dass die heutige Caldera vor etwa 3600 Jahren durch die große Minoische Eruption entstanden ist. Die Erde unter Santorin brodelt bis in unsere Tage, selbst wenn der Vulkan zu schlafen scheint.

Viele Geschichten ranken sich um Santorin. Am besten gefällt mir jene, in der Euphemos, der Sohn von Poseidon und Europa, einen Klumpen Erde ins Meer geworfen habe, aus dem Santorin geboren wurde. Auf Neudeutsch würde man sagen: „Der Euphemos; – der hatte es drauf !“ Dem sagte man auch nach, dass er über das Wasser wandeln konnte.

Viel Zeit ist seither vergangen; – und die Geschichtsschreiber der Antike haben so manches über Santorin berichtet. Herodot gab der Insel den Namen „Kalliste“, was soviel bedeutet, wie „die Schönste“, Plinius gab ihr den Beinamen „Ther“, was man mit „die Wilde“ übersetzen kann. Alles richtig. – Von wilder Schönheit ist die Insel. Ihren Namen jedoch verdankt sie venezianischen Seefahrern aus dem 12. Jahrundert, die sie nach der heiligen Irene benannten: Santa Irene = Santorin !

Das Santorin unserer Tage ist eine Symphonie in Weiss und Blau, der griechischen Nationalflagge gleich. Obwohl Hölderlin nie in Griechenland oder gar auf Santorin war, beschreibt er es in seinem Hyperion so: „Ich liebe dieses Griechenland überall. Es trägt die Farbe meines Herzens“ – und diese Farben sind Weiß und Blau. – Dem ist nichts hinzuzufügen.

One dress, one woman, one world

„Als deutscher Tourist im Ausland steht man vor der Frage, ob man sich anständig benehmen muss oder ob schon deutsche Touristen dagewesen sind.“ Mit triefender Ironie stellte Kurt Tucholsky das Verhalten meiner „urlaubenden“ Landsleute in Frage. So weit würde ich nicht gehen. Deutsche verhalten sich im Ausland so gut oder schlecht wie die Vertreter anderer Nationen. Trotzdem; – wer nach Santorin reist, muss sich auf einige krasse Auswüchse gefasst machen. Es ist ein Kreuz mit den Kreuzfahrern ! Wenn man in Fira, Oia oder Imerovigli über den Kraterrand schaut, sieht man bereits wie viele Kreuzfahrtschiffe in der Bucht vor Anker liegen und mag eine vage Ahnung davon bekommen, wie viele Touris diese „Drachen der Weltmeere“ am kommenden Tag an Land speien werden. Die Straßen auf Santorin sind schmal. Wenn einem eine Armada von 20 bis 30 Reisebussen – vollgepackt mit Kreuzfahrern – entgegenkommt; dann kann man für 500 m Wegstrecke schon einmal 45 Minuten brauchen.

Alle „Segnungen“ des modernen Massentourismus’ findet man leider auch auf Santorin. Auf dem Kraterrandweg zwischen Fira und Firostefani kann man tagsüber kaum einen Fuß vor den anderen setzen und nur mit dem Strom der Massen treiben. Zum Sonnenuntergang in Oia kommen allabendlich Tausende, die der untergehenden Sonne Beifall spenden – als ob sie am kommenden Tag nicht wieder aufgehen würde. Irgendwie ein wenig verrückt. Wie jedes Ding hat auch Santorin eine andere Seite. Nach Megalochori, Pirgos oder Emborio kommen nur wenig Touristen, und wer einmal den Sonnenuntergang am Leuchtturm von Akrotiri ganz alleine erleben durfte; – die Stille, die seidenglatte Oberfläche der Ägäis und den glutroten Sonnenball – der trägt eine einmalige Erinnerung nach Hause.

….und dann ist da noch die Sache mit dem Brautkleid: Viele Brautpaare aus China, Korea oder Japan reisen von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeiten und schleppen ihren Brautstaat mit. Überall lassen sie sich fotografieren. „In sechs Tagen um die Welt – mit Brautkleid und Hochzeitsanzug“; – den Honeymoon –Trip-Advisor im Gepäck. An der Kapelle am Skaros-Felsen in Imerovigli komme ich mit einem Pärchen ins Gespräch. Verheiratet sind die Beiden noch nicht. Der Chinese aus Kunming grinst mich an und sagt: „Das kommt später“. Die schüchterne Braut spricht leider kein Englisch, lächelt nur nett, – doch der Aufzug der Beiden ist schon bemerkenswert. Er trägt zur Smokingjacke Bluejeans, sie trägt unter dem Brautkleid türkisfarbene Leggins und Flip-Flops, – und auf dem Kopf einen azurfarbenen Fascinator. Die Beiden werden ihre daheimgebliebene Verwandtschaft sicher mit hunderten von Photos quälen ;-))

Griechisch-Unorthodox

Eine griechisch-orthodoxe Kirche gibt es eigentlich nicht. Der Begriff bezeichnet schlicht die Verbundenheit der Kirche zur griechischen Kultur. Übersetzt man „orthodox“ ins Deutsche, würde man wahrscheinlich auf „Rechtgläubigkeit“ kommen. Das nehmen wohl alle Religionen für sich in Anspruch. Angehörige orthodoxer Glaubensrichtungen behaupten den „reinen“ Glauben zu vertreten. Kritiker dieses Denkens wenden ein, dass man sich jeglicher Anpassung an veränderte religiöse, politische und kulturelle Verhältnisse verweigert. Ich halte es da mit dem Alten Fritz, der meinte: Jeder soll nach seiner Façon selig werden“.

Die Santorinis müssen fromme Leute sein! Die knapp 13.000 Inselbewohner können ihren Glauben in mehr als 450 Kirchen und Kapellen ausleben. Na ja; – ganz so fromm ist man hier doch nicht. Auch auf Santorin geht man lieber in die Taverne als in die Kirche.

Die vielen Sakralbauten gehen zurück auf das 16. Jahrhundert, als Santorin fast 30 Jahre lang von den Türken besetzt war. Nach dem Tod eines griechischen Grundstückeigentümers gingen die Eigentumsrechte auf die türkischen Besatzer über. Falls jedoch auf dem Land eine Kirche stand, fiel das Land an die griechisch-orthodoxe Kirche. Also bauten viele Einwohner auf ihren Grundstücken Kapellen und Kirchen.

Avrio !

Irgendwann heißt es Abschied nehmen. – Abschied von den warmen Tagen des beginnenden Oktobers, dem weichen Licht der Ägäis und von neu gewonnen Freunden; von Rania, Daniela und Theo, dem Team des „Finikia Place“, das uns so liebevoll umsorgt hat. Wie heißt es doch in der Odyssee:

„Als es vollendet, fuhr ich von dannen, und günstigen Fahrtwind gaben mir die Götter und sandten uns schnell in die Heimat….“