Island – geboren aus Feuer und Eis

Selbstbeherrschung

Der große Albert Schweitzer hat einmal geschrieben: „Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter. Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen. Es war aber eher kein Akt der Selbstbeherrschung, der mich solange zögern ließ nach Island zu reisen. Fast 30 Jahre habe ich das vor mir hergeschoben.

Immer wenn ich Freunde traf und wir weinselig in Erinnerungen an frühere Abenteuer schwelgten, kamen wir irgendwann auf den Punkt „Island“. Was ließ mich so lange zögern ? Vielleicht mein Vorurteil ? Zu monothematisch ? Nur Landschaft ? Ich denke das ist die Wahrheit.

Vorurteile darf man revidieren. Die Landschaft Islands ist so vielfältig und atemberaubend, es ist eine Reise wert. Warum ausgerechnet im Winter ? Island erlebt nach der Finanzkrise von 2008 in den letzten Jahren einen Tourismus-Boom.

Während der Hauptsaison sind die landschaftlichen Hotspots so überlaufen, dass mir das wenig attraktiv erscheint, vor Allem weil ich Photos mitbringen möchte, die etwas vom Zauber der Abgeschiedenheit dieser dünnbesiedelten Insel im Atlantik zeigen. Da sind hunderte von Touristen die an den Wasserfällen entlang des Golden Circle stehen, nicht meine Welt.

Modern Times

Island ist modern. Alte Traditionen aus der Zeit der Wikinger haben sich wenige erhalten. Island hat nur 360.000 Einwohner. Gut 1/3 davon leben in Reykjavik.

Eine Kleinstadt also. Aber eine die sich auf 275 km² ausdehnt. An Platz mangelt es nicht.

Es heißt zwar: Money makes the world go around“, aber money, besser gesagt das Bezahlen mit Bargeld ist in Island eher die Ausnahme. Als ich am Flughafen in Keflavik ankomme, tausche ich in einer der wenigen Wechselstuben 100 €. Beim Abflug 14 Tage später habe ich noch immer 70 € in der Tasche, die im „alkoholisch“ gut sortierten Duty-Free-Shop draufgehen.

Alle anderen Ausgaben werden mit Kreditkarte oder mittlerweile mobil-pay per Smartphone beglichen. Selbst am stillen Örtchen einer N 1-Tankstelle irgendwo im Land – das wäre bei uns so etwas wie Sanifair an der Raststätte – gibt es ein Bezahlterminal für Kreditkarten. Aber altmodisch wie ich bin, bleibt mir das fremd, denn man verliert allzu schnell den Überblick.

Während Politiker bei uns darüber diskutieren ob der Mobilfunk-Standard 5G „an jeder Milchkanne“ empfangbar sein muss, ist man in Island schon viel weiter. Während wir in Deutschland auf dem flachen Land noch versuchen die Funklöcher zu umschiffen, hat auf Island sogar unser Bus WiFi und die Netzabdeckung ist

auch noch im hinterletzten Fischerdorf exzellent. Mir drängt sich immer häufiger der Gedanke auf, dass wir in Deutschland alles zu Tode diskutieren, dass es aber keine „Macher“ gibt. Wir haben sogar ein Bundesministerium für „Digitales“ – vielleicht sollte der Herr Minister einmal nach Island reisen und sich erklären lassen, das Sprüche wie „LapTop und Lederhose“ nicht ausreichen !

Spieglein, Spieglein …


In Island ist das Telefonbuch ein Bestseller. Die Sortierung erfolgt nach Vornamen. Und da es nur 360.000 Isländer gibt, gibt es auch nur ein Telefonbuch für das ganze Land. Vornamen sind in Island entscheidend, vor allem die Vornamen der Väter. Denn der Nachwuchs trägt den Vornamen des Vaters als eigenen Nachnamen plus Zusatz – „son“ bekommen die Söhne, „dóttir“ die Töchter. Jóhann Guðmundsson  ist also der Sohn von Guðmunds und Kristinn Guðmundssdóttir ist die Tochter von Guðmunds.

Der Literaturkritiker Wolfgang Menzel schrieb im 18. Jahrhundert: „Der Spiegel ist besser als eine Reihe Ahnenbilder“. Die Isländer sehen das anders. Während wir uns in Deutschland mit staatlicher Datensammelwut eher schwer tun, machen die Isländer dies ganz freiwillig.

Ahnenforschung ist auf der Insel eine Art Volkssport. In einem heruntergekommenen Gebäude unweit des Reykjavíkurflugvöllur residiert die Genealogische Gesellschaft von Island. Der Bau sieht aus, als würden hier nachts die Geister spuken.

Die Isländer geben freiwillig ihre genealogischen Daten an die Organisation. Mehr als 650.000 Namen soll die Datenbank bereits umfassen. Wer dem verworrenen Knäuel seiner der Familienbande auf den Grund gehen, stellt schnell fest: Alle sind irgendwie miteinander verbunden !

Die Isländer sind in manchen Dingen schräg drauf. Mitten auf dem Laugavegur, der Haupteinkaufsstraße Reykjaviks befindet sich das Isländische Phallusmuseum. Eine Institution so einzigartig wie die Genealogische Gesellschaft. Einen Besuch ist es allemal wert, schon allein wegen der großen Auswahl an Merchandising Produkten !

Sie werden sich fragen: „Das soll ein Reisebericht aus Island sein. Was erzählt der da ? Warum berichtet er nicht von den Wasserfällen, Gletschern, Vulkanen und Geysiren ? Den Naturwundern die Island so einzigartig und anziehend machen.

Der Grund ist einfach – fahren sie nach Island – schauen sie und Staunen sie !

Zum Schluß dürfen einige Worte des Dankes nicht fehlen. Mein Dank gilt Eidur, die treue Seele, die uns durch Dauerregen, Sonnenschein und Schneesturm sicher und heil zurückgebracht hat und vor allem an Raymond und Edwin, die unendlich großen Anteil an der photographischen Umsetzung meines Abenteuers hatten.

Ans Ende stelle ich einen Satz des größten isländischen Dichters:

Wer immer nur nach dem Zweck der Dinge fragt, wird ihre Schönheit nie entdecken !“
(Halldór Laxness)