Indonesien – Reich der 14.000 Inseln

Die Jugend ernährt sich von Träumen, das Alter von Erinnerung (Indonesisches Sprichwort)

Alt genug bin ich nun, um in meinen Erinnerungen zu kramen und aus einem der hinteren Winkel die Erinnerungen an eine Reise zu den „Inseln des Glücks“ hervorzuholen.

Wer weiß schon, dass Insel-Indien – so bezeichnete man im 19. Jahrhundert den indonesischen Archipel – aus fast 13.677 großen, kleinen und kleinsten Inseln besteht ? In unser Bewusstsein tritt Indonesien immer nur dann, wenn große Naturkatastrophen wie Erdbeben, Vulkanausbrüche, Tsunamis oder Anschläge der radikal islamischen Jemaah Islamiyah das Land erschüttern. Aber seien wir ehrlich, was wissen wir wirklich von diesem fernen Land ?

  • Wissen wir, das Indonesien mit 230 mio. Einwohnern das viertgrößte Land der Welt ist ? Mit 140 mio. Menschen, die sich zum mohammedanischen Glauben bekennen, ist es auf jeden Fall das größte islamische Land der Erde.
  • Wissen wir, das Indonesien 1.800 km in Nord-Süd Richtung und 5.000 km in Ost-West Richtung misst ? Nur zum Vergleich, vom Nordkap bis nach Rom ist es nur unwesentlich weiter.
  • Wissen wir, das es in Indonesien 140 aktive Vulkane gibt ?
  • Wissen wir, das es in Indonesien mehr als 360 verschiedene ethnische Gruppen gibt und mehr als 250 regionale Sprachen und Dialekte gesprochen werden ?
  • Wissen wir, das Indonesien 13.677 Inseln umfasst, von denen nur knapp 1.000 bewohnt sind ?

Da wir all dies nicht wissen, bleibt den modernen Menschen der Neuzeit eine elegante Art der Wissensvermehrung, wir reisen dorthin. Wir nehmen einen Jet der Garuda Indonesian Airlines und landen nach 14 Stunden Flug in Jakarta, der Hauptstadt Indonesiens auf der Insel…

Java

Java ist nicht die größte, aber die bevölkerungsreichste Insel des Archipels. Der Moloch Jakarta ist Heimat von mehr als 8 mio. Menschen und genauso sieht es dort auch aus. Der Charme des alten, beschaulichen Batavia, ist verflogen. Dort, wo früher noch Stadtteile auf Namen wie „Weltevreden“ (wohlzufrieden) hörten, herrscht heute hektische Betriebsamkeit. Früher war die Istiqlal-Moschee, die 20.000 Gläubigen Raum bietet, noch das größte islamische Gotteshaus der Welt, aber seit Hassan II. in Casablanca eine gigantische Moschee für 100.000 Menschen bauen ließ, ist auch dieser Meilenstein aus dem Buch der Rekorde getilgt. Mein journalistisches Selbstverständnis hat mich gelehrt, immer Abstand zu den Ereignissen zu wahren. So betrachte ich die Dinge häufig vom Rande des Geschehens, mit der gebotenen Distanz. Aus diesem Grund bin ich mit dem Taxi an den Rand von Jakarata gefahren, nach Sunda Kelapa, dem alten Frachtenseglerhafen, wo hunderte Phinisis vor Anker liegen.

Hier werden die bunten Frachtsegler beladen und gelöscht, mit allem, was auf den vielen, vielen Inseln benötigt wird. Die Bugis, dieses legendäre Volk der Bootsbauer, Seefahrer und Händler geben hier den Ton an. In Gedanken versunken stehe ich da und stelle mir vor, wie es wohl in den Tagen der holländischen Kolonialherrschaft gewesen sein muss, als die Schiffe der ostindischen Kompanie hier anlegten und Batavia der weltgrößte Umschlagplatz für Gewürze war.

Ich schleppe das schwere Stativ zwischen den Schiffsrümpfen hin und her und belichte eine Rolle nach der anderen. Plötzlich bemerke ich, dass mir ein kleiner Indonesier beständig folgt und mein Treiben beobachtet. Ich spreche ihn an, er bekommt einen roten Kopf, antwortet aber in leidlichem englisch, dass er auch einmal Fotograf werden wolle. Na ja denke ich, wahrscheinlich trifft er morgen einen Doktor und will Arzt werden. Er stellt sich vor. Sein Name sei Diponegoro. Seine Eltern hätten ihn nach dem großen Freiheitskämpfer Prinz Diponegoro genannt; – …meine Freunde nennen mich Dipo ! Spätestens nachdem ich den Jungen zu einer kalten Cola eingeladen habe, bin auch ich sein Freund. Er erzählt, dass er an der Hochschule für Design und Gestaltung studiere und sich sehr für Fotografie interessiere. Ich erzähle, dass ich eine Tour quer durch Java unternehmen möchte und auch nach Bali und Sulawesi will. Plötzlich sagt Dipo: „Du willst unser Land kennenlernen ?“ Wenn Du willst, zeige ich Dir, wie schön Java ist. Ich lasse Ihn reden, sein Enthusiasmus wird sicher bald verflogen sein. Als ich am nächsten morgen jedoch nach dem Frühstück durch die Hotelhalle laufe, sitzt Dipo dort und sagt er habe einen Wagen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich hole die Kameraausrüstung und wir machen einen Ausflug in das Umland von Jakarta. Am Abend im Hotel zurück engagiere ich Dipo als meinen persönlichen Guide und lege die Spielregeln fest. Wenn wir uns nicht verstehen, werden wir uns trennen.

Am nächsten Morgen fahren wir in der Frühe zum Airport und ergattern 2 Tickets für einen Flug nach Yogyakarta. Die indonesische Inlandsfluggesellschaft Merpati, hat keinen besonders guten Ruf. Als wir über das Rollfeld laufen und ich sehe, dass der Pilot sich einen Sonnenschutz aus Zeitungspapier ins Cockpit geklebt hat, beginne ich zu ahnen, warum das so ist. Nach einer guten Stunde landen wir wohlbehalten auf dem Adisutjipto-Airport von Yogya. Wir nehmen uns einen Leihwagen und brechen direkt vom Flughafen aus auf, denn wir wollen noch heute auf das Dieng-Plateau nach Wonosobo und das sind gut 10 Stunden Fahrt.

Sanft steigt die Straße in Richtung Magelang an. Am Anfang sieht man rechts und links des Weges noch Reisfelder. Später als das Land hügeliger wird, haben die Bauern Terrassen angelegt. Vor allem Zwiebeln und Kartoffeln werden angebaut. Die Region ist fruchtbar, die vulkanische Asche, die sich an den Hängen abgelagert hat, ist nährstoffreich und lässt alles grünen und prächtig gedeihen. An diesem klaren Tag, sehen wir in der Ferne, die ebenmäßigen Kegel der Vulkane Merapi, Sumbing und Sundoro. Wie die heiligen oder „unheiligen“ drei Könige, thronen sie über dem Land. Segen und Fluch zugleich.

Kurz bevor man Wonosobo erreicht, breiten sich weite Teeplantagen und Tabakfelder aus. In jedem Dorf und jedem Weiler, sind Gerüste aufgestellt, auf denen die Tabakenterne bereits feingeschnitten zum Trocknen ausliegt. Der berühmte Sumatra-Tabak kommt also auch zum Teil aus Java. ;-))

In einer einfachen Herberge verbringen wir die Nacht. Geckos huschen durch das Reisigdach und kleben mit Ihren saugnapfartigen Füssen an den Wänden um mit flinkem Zungenschlag Insekten zu fangen.

Am Morgen, packen wir Kamera und Vorräte für den Tag in den Rucksack, und brechen auf. Das Plateau misst nur 10 km² im Durchmesser. Alle landschaftlichen und kulturellen Höhepunkt kann man bequem erwandern. Der Morgen ist frisch, die Luft kalt und klar und hier in über 2.000 m Höhe auch dünn. Gegen 10°° Uhr erreichen wir Candi Bima, die schönste hinduistische Tempelanlage auf dem Dieng-Plateau. Zwischen den Tempeln grasen Schafe. Nicht weit von hier, brechen sich Naturgewalten ihre Bahn, hier brodeln die Schwefelquellen von Kawah Sikidang, aus tiefen Rissen. Durch die jungfräuliche Erdkruste dringen Fumarolen aus dem Erdinneren und heißer Dampf schießt nach oben.

Wir verlassen Wonosobo und ziehen weiter ins Tengger-Gebirge. Hier hat sich vor Jahrmillionen der Tengger-Krater gebildet, eine Einbruch-Caldera, über entleerten Magmakammern, aus der sich heute mehrere Strato-Vulkane erheben, von denen der Bromo der aktivste und attraktivste ist. Mitten in der mehr als 80 km² großen, von schwarzem Lavasand bedeckten Caldera, erhebt sich dieser Vulkan über dem beständig eine Rauchsäule steht. Beliebt ist der Sonnenaufgang, zu dem hunderte Touristen zum Bromo pilgern. Um 3°° muss man los, will man rechtzeitig dort sein.

Als ich Dipo eröffne, das ich gar nicht auf den Bromo will, sondern auf den gegenüberliegenden Gunung Batok, sieht er mich an, als sei ich irre. Dipo sage ich: „das ist doch ganz einfach, wenn ich den Berg bei Sonnenaufgang fotografieren will, darf ich doch nicht auf dem Berg selber stehen, sondern muss mir einen Standort vis-a-vis suchen“. Es ist kalt in dieser Höhe, die Bettwäsche klamm, die Dusche besteht aus einer Kelle und einem Eimer mit kaltem Wasser. So „erfrischt“, brechen wir auf. Als der Tag heraufzieht, sieht man, dass Bodennebel in Schwaden über die schwarze Asche zieht. Ein fast surreales Bild.

Auf den Batok zu klettern, erweist sich als sehr viel anspruchsvoller und schwieriger als gedacht. Seine Flanken sind steil, die Vulkanasche tief und locker. Dipo mit seinen kurzen Beinen und dem Stativ als Stütze, macht zwei Schritte vor und rutscht einen zurück. Als wir oben anlangen, werden wir belohnt durch den traumhaften Blick ins Tal.

Nach dem Frühstück, machen wir uns auf den Rückweg nach Yogyakarta. Du, ich habe Verwandte dort, sagt Dipo; da können wir günstig übernachten. Als wir am Abend dort eintreffen, werden wir auf das herzlichste willkommen geheißen. Es ist ein traditionelles javanisches Anwesen und wie Dipo’s Cousin stolz berichtet, ist man um einige Ecken herum mit dem Sultan verwandt; was uns für einen der nächsten Abende eine Einladung zu einer Tanz- und Puppenspielvorführung im Sultanspalast einträgt.

Die Nacht verbringen wir komfortabel auf einer luftigen Veranda und können so den Geräuschen lauschen und die Gerüche wahrnehmen, die in den Tropen so intensiv sind, wie sonst nirgendwo. Auf einem Bauernhof beginnt das Leben früh, so sind auch wir beim ersten Hahnenschrei – danach gibt es ohnehin keine Ruhe mehr – auf den Beinen.

Wir fahren hinaus auf die Kedu-Ebene, wo sich umrahmt von grün bewaldeten Bergrücken, der Borobodur „das achte Weltwunder“ erhebt. Im 8. Jahrhundert, begannen die Herrscher der Shailendra-Dynastie, mit dem Bau dieses gewaltigen Stufentempels. Zehntausende von Arbeitern, müssen hier beschäftigt gewesen sein, um die mehr als 2 Millionen Steinquader zu diesem monumentalen Bauwerk zusammenzufügen. Als die Steinmetze nach 80 Jahren Bauzeit Meisel und Hammer aus der Hand legten, war die Stupa zu Ehren Buddhas, die größte der Welt. Sie ist Symbol des heiligen Weltenberges Meru, verziert mit Hunderten und Aberhunderten von Reliefs, die vom Leben Gautama Buddhas von seiner Geburt über seine Erleuchtung, bis hin zum Eintritt ins Nirvana erzählen. 505 Buddha-Statuten zieren die verschiedenen Galerien, zum einen Teil in offenen Nischen und zum anderen Teil in 72 Miniatur-Stupas.

Nach nur 100 Jahren, versank der Borobodur in einen Märchenschlaf, als die Menschen Zentraljava – vermutlich nach Ausbruch des Vulkans Meru -, verließen. Fast 1.000 Jahre vergingen bis zu seiner Wiederentdeckung. Nachdem die Engländer für kurze Zeit die Holländer als Kolonialmacht abgelöst hatten, legten englische Kolonialbeamte, das total vom Dschungel überwucherte Heiligtum wieder frei. Heute, nach Abschluss der Restaurierung, steht er als Weltkulturerbe unter dem Schutz der UNESCO.

Wer sich so wie wir, von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang, Zeit genommen hat, um das beste Fotolicht auszunutzen, sollte sich, wenn er müde vom vielen umwandern und bestaunen des Borobodur ist, vielleicht auch die Muse nehmen, still zu verharren, oder mit einem guten Buch an irgendeiner ruhigen Ecke zu sitzen und immer wieder aufzuschauen zu Buddha und den vielen Stupas. Der Borobodur wird zu einem Erlebnis, welches man nicht vergisst.

Auf dem Rückweg machen wir Halt in Prambanan, einem hinduistischen Tempelkomplex, welcher ungefähr zur gleichen Zeit entstand, wie der Borobodur. Die Heiligtümer sind Indiz dafür, dass die Anhänger beider Religionen, friedlich zusammenlebten. Die Tempelanlage gliedert sich in die drei Hauptheiligtümer, welche Brahma, Shiva und Vishnu geweiht sind und viele kleinere Nebentempel; Heiligtümer für die mythischen Reittiere der Götter, von denen Garuda, der Feuervogel Vishnus, heute Namensgeber der indonesischen Fluggesellschaft ist.

Prambanan, von seinen Erbauern ganze ohne Mörtel zusammengefügt, wurde 1549 fast völlig durch ein schweres Erdbeben zerstört und diente Jahrhunderte lang als Steinbruch. In einer knapp dreißig Jahre währenden Puzzlearbeit, setzen Restauratoren das Bauwerk Stein für Stein zusammen, bis es heute wieder in alter Pracht erstrahlt. Für den Unrat den die vielen Besucher hinterlassen hat man überall auf dem Gelände hässliche gelbe Müllsammler aufgestellt, die den Eindruck stören und die ich auf meinen Bildern nicht haben wollte, daher trage ich diese „Schandflecken“ alle in eine Ecke, was die Tempelwächter auf den Plan ruft. Dipo muss wortreich erklären, was ich da treibe und dann lachen alle herzlich über den „albernen“ Europäer, der keine gelben Mülleimer mag.

Am Abend machen wir uns ausgehfein, denn wir sind bei Sultan’s eingeladen. Was ich mir in meiner Einfalt als intimes tet-a-tet mit dem Sultan vorgestellt habe, entpuppt sich als „Folklore-Veranstaltung“. Nach einem üppigen Bami-Goreng, tritt ein Tanz-Ensemble zu Klängen eines Gamelan-Orchesters auf. Die Tänzerinnen sind jung und bildhübsch, die Musik dafür für europäische Ohren sehr gewöhnungsbedürftig.

Nach dem Tanz beginnt ein Wayang Kulit, ein javanisches Schattenspiel mit Scherenschnittfiguren. Der Dalang, so nennt man den Puppenspieler, bewegt gleichzeitig mehrere Figuren und erzählt Geschichten aus den indischen Heldenepen Ramayana und Mahabharata. Da das Ramayana 24.000 und das Mahabharata 100.000 Verse hat, dauert eine solche Darbietung häufig die ganze Nacht. Unser Tag war lang und nach 2 Stunden bin ich eingenickt. Dipo weckt mich und schleppt mich nach Hause. Er schimpft mich einen Kulturbanausen, wie man denn gerade wenn es spannend werde einschlafen könne. So verschieden sind eben die Geschmäcker !

Yogyakarta ist Zentrum für Kunsthandwerker und Händler. Am Morgen schlendern wir über den Pasar Ngasem, den Vogelmarkt. Hier hängen die Vogelkäfige von den Stangen der überdachten Marktstände herunter. Hühner, Tauben, Papageien, Riesenfledermäuse aber auch Singvögel werden angeboten, letztere, zu teilweise astronomischen Preisen. Nebenan, wird auch gleich das lebende Vogelfutter angeboten, in großen Bastkörben, verkaufen Händler Maden, Käfer und Würmer.

Das Kunsthandwerk hat hohes Niveau. In kleinen Seitenstraßen haben sich Silberschmiede angesiedelt, es werden Wayang Kulit Figuren aus Büffelleder hergestellt und bemalt; am meisten beeindrucken mich jedoch die Batikkünstler. Neben Gebrauchsbatiken, die im Stempelverfahren hergestellt werden, gibt es auch Galerien in denen Künstler auf Seide gemalte und gebatikte Bilder ausstellen und verkaufen. Ich kann mich nicht losreisen und erstehe eines dieser Kleinodien, das heute noch in meiner Diele hängt und mich täglich erfreut.

Irgendwie, macht Dipo mir heute einen niedergeschlagenen Eindruck. Auf dem nachhause Weg druckst er herum. Du sagt er, ich habe einen Cousin in Makale, von dort ist es gar nicht weit nach Rantepao. So etwas hatte ich mir schon gedacht. In einigen Tagen will ich nach Sulawesi fliegen und hinauf ins Toraja-Land; dann heißt es ich Abschied von Dipo nehmen, der mir mittlerweile ans Herz gewachsen ist. Ich mache ein ernstes Gesicht und sage zu ihm:…..“da solltest Du zusehen, dass Du noch ein Flugticket nach Ujung Padang bekommst!“. Er strahlt über das ganze Gesicht, als ich ihm 90 Dollar in die Hand drücke und saust los zum Flugplatz. Drei Tage später, fliegen wir von Surakarta aus nach Udung Padang und das liegt auf…

Sulawesi

der viertgrößten Insel Indonesiens. Im 16. Jahrhundert waren die Portugiesen hier. Aus dieser Zeit stammt der Name der Insel, den wir vielleicht besser als „Celebes“ kennen, eine Verballhornung des portugiesischen Ponto dos Celebres, was soviel heißt wie „Ort der Berüchtigten“, wegen der vielen Piraten, die das Meer unsicher machten.

Am Airport mieten wir uns einen Landcruiser und machen uns auf den Weg. Gegen Mittag erreichen wir Pare Pare, ein Dorf an der Westküste. Auch hier hat Dipo entfernte Verwandte, die ein Restaurant direkt am Strand betreiben, in welchem köstlicher, frischgefangener Fisch serviert wird. Überhaupt ist die Vielfalt der indonesischen Küche so groß, wie die 13.677 Inseln. Chinesische, malaiische und thailändische Einflüsse prägen sie und sie geht weit über Nasi Goreng hinaus.

Nach 13 Stunden Fahrt, kommen wir spät in der Nacht bei Dipos Cousin an. Trotz der späten Stunde, werden alle geweckt um uns zu begrüßen. Tee wird aufgebrüht und wir müssen unbedingt noch etwas essen. Irgendwann kehrt Ruhe ein und am nächsten Morgen lässt man uns – obwohl das Haus schon früh zur Betriebsamkeit erwacht – ausschlafen.

Am Nachmittag begleitet uns Dipos Cousin Kadek nach Suaya, das nicht weit entfernt von Makale liegt. Hier gibt es eine der großartigsten Grabwände, mit vielen guterhaltenen Tau-Tau Figuren. Der Totenkult spielt im Leben der Toraja, dem Volksstamm, welcher hier im Herzen von Süd-Sulawesi siedelt, eine bedeutende Rolle. Der Tau-Tau, ist ein Abbild des Verstorbenen und bewacht dessen Grab. Was es ansonsten mit den Begräbnisritualen auf sich hat, sollen wir später noch eindrücklich erleben.

Heute ist Markttag in Makale. Das Land ist fruchtbar und bietet eine Vielzahl an frischem Obst, Gemüse, Gewürzen und natürlich Reis. Auf allen möglichen und unmöglichen Gefährten karren die Bauern ihre Ware heran. Unter einem überdachten Marktstand, liegen Schweine, große fette Sauen und kleine Ferkel, lebende Schweine wohlgemerkt, mit Bastschnüren verpackt zum Transport auf einer Stange. Wozu dies dient, sollen wir auch später erfahren.

Wir verabschieden uns von Kadek, seiner Frau Sumaya sowie den 7 Kindern und brechen auf nach Rantepao, wo wir uns im Toraja-Cottage einer 3-Sterne-Oase einquartieren, die uns als Ausgangspunkt für Ausflüge im Toraja-Land dienen soll. An der Rezeption bitte ich, mich am kommenden Morgen um 5:30 zu wecken. Ich will zum Sonnenaufgang in Siguntu sein. Das ist ein schöner Spaziergang, einige Kilometer am Ufer des Sungai Sadang entlang. Dipo hat sich zum Ausschlafen entschieden. In Siguntu gibt es die eindrucksvollsten Tongkonan, das sind die Stelzenhäuser der Toraja mit einem Reisigdach, das an ein kieloben liegendes Schiff erinnert. Auch die Getreidespeicher, die zu jedem Haus gehören, sind kleine Nachbildungen dieser Bauform. Der mittlere Tragbalken der Dächer, ist häufig von zahlreichen Büffelhörnern geschmückt, ein Zeichen der Wertschätzung das darüber Aufschluss gibt, wieviele Büffel, bei der Beerdigung eines geschätzten Toten geopfert wurden.

Es ist noch früh, als ich meine Bilder im Kasten habe. Am Ortsrand treffe ich Kinder, deren größtes Vergnügen es ist, auf einem Bananenblatt, die vom Tau noch feuchten Wiesenraine hinabzurodeln. Als die drei Kleinen mich bemerken, treten sie in Reih’ und Glied an und singen ein Lied, dessen Refrain immer mit Gula-Gula endet. Ich spendiere einige Luftballons und Bonbons, die ich immer im Fotogepäck habe und schaue in glückliche Kinderaugen. Am Abend frage ich Dipo, was Gula-Gula bedeutet ? Er sagt, das seien Bonbons ! Also haben die drei bekommen, wofür sie gesungen haben. Als Gula-Gula Sänger werden sie mir im Gedächtnis bleiben.

Ich will an diesem Tag noch weiter, aber das Laufen auf den matschigen Feldwegen, mit der schweren Kameraausrüstung und die immer höhersteigende Sonne, machen die Sache beschwerlich. Ein Bauer mit einem Traktor (Modell 50er Jahre), lässt mich aufsitzen und nimmt mich mit, bis kurz vor Londa.

In Londa, erhebt sich am Rande eines imposanten Talkessels aus Reisterassen, eine Felswand mit Grotten, in deren Nischen die Toten zum Teil in Holzsärgen, zum anderen Teil aber auch nur die gebleichten Gebeine bestattet sind. Vor vielen dieser Grabkammern, halten Tau-Tau’s Wache, damit niemand die Totenruhe störe. Die würdige Beerdigung eines geliebten Angehörigen ist den Toraja eine Herzenssache. Zum Teil finden die Grablegungen erst Jahre nach dem Dahinscheiden statt, bis die Familie genügend Geld zusammengespart hat, um Opfer und Zeremonie bezahlen, und vor allem die vielen Trauergäste aus Nah und Fern bewirten zu können.

Als ich am Abend wieder im Hotel bin, erzählt Dipo mir, dass am kommenden Tag in Pala’tokke eine Beerdigung stattfinde. Er habe uns angekündigt und wir seien herzlich eingeladen, allerdings habe er auch ein passendes Geschenk versprochen. Als ich frage, was passend sei, sagt er, …..Du hast doch die Schweine in Makale gesehen ! Jetzt wird mir manches klar. Für 20 $ erwerben wir am nächsten Morgen ein Schwein und mieten 2 Träger. Mit dem Schwein auf der Stange geht es los. Als wir an eine morsche, alte Hängebrücke kommen, auf der uns auch noch einheimische Marktbesucher mit schweren Körben entgegen kommen, wird das ganze zum Abenteuer. Suum quiquie ! Und das Schwein quiekte  ;-))

Als wir bei der Beerdigungsgesellschaft ankommen, werden wir von den „fröhlichen Trauernden“ auf das Herzlichste begrüßt. Der Dahingeschiedene ist schon seit 3 Jahren tot. Es hat gedauert, bis man das Geld für die Feier zusammen hatte. Ein Dorf aus Bambushütten ist entstanden, um alle die von nah und fern angereist sind, auch unterbringen zu können. Die Männer opfern / schlachten die „Mitbringsel“. Auch unser kleiner Quieker muss dran glauben. Die Frauen sitzen vor den Hütten, putzen Gemüse und kochen Reis.

Der Verblichene ruht in einem roten, mit Messing beschlagenen Sarg, in einem eigens errichteten Bambusturm. Überall ist man freundlich, tratscht und tauscht die letzten Neuigkeiten aus. Der Tod hat für die Toraja nichts schreckliches, er ist der Eintritt in ein besseres Leben.

So langsam, muss auch ich mich auf meinen Abschied von Dipo vorbereiten. Nachdem er alle Verwandten besucht hat, schien es mir in den letzten Tagen ohnehin so zu sein, dass er seinen Berufswunsch Fotograf noch einmal überdenken wird, denn es bedeutet vielmals früh aufstehen um lange auf eine Lichtstimmung zu warten, die dann doch nicht kommen will. Am Flughafen von Ujung Padang heißt es good bye. Dipo nimmt eine Mitfahrgelegenheit auf einer Phinisi wahr und ich fliege nach Denpasar und das liegt auf der Insel…

Bali

Pandit Nehru, der frühere indische Ministerpräsident, besuchte die Insel kurz nach der indonesischen Unabhängigkeit und gab ihr den Beinamen Morgen der Welt“; und zart wie ein junger Morgen ist alles auf Bali. Die Menschen strahlen Ruhe und Frieden aus, was uns schnell für sie einnimmt.

Bali ist eine Ausnahme. Während Indonesien überwiegend von Muslimen dominiert wird, ist Bali eine fast rein hinduistische Enklave. Wer Bali besucht, sollte sich eine Basis suchen, denn Bali ist nicht so groß, als das man nicht alle Höhepunkte von einem zentralgelegenen Ort aus erreichen könnte. Wer Badevergnügen und High-Life erleben will, wird sich für Kuta oder Legian entscheiden, das ist so ein bisschen wie Ballermann für Australier. Wer es etwas nobler will, wird Nusa Dua wählen, und ich, der ich Land und Leute kennenlernen will, habe mich für Ubud entschieden.

Das Hotel Campuan in Ubud ist ein wahres Juwel. Abends nach dem Essen tritt im Hotelgarten der Barong auf. Der Barong-Tanz, stellt den ewigen Konflikt des Guten gegen das Böse dar. Der Barong ist ein löwenähnliches, zotteliges Fabelwesen das die Menschheit vor Rangda der bösen Hexe schützt. Tanzdramen haben in Bali einen hohen Stellenwert und die Künstler werden verehrt wie Popstars.

Ubud liegt inmitten einer Reisgegend. In der bergigen Vulkanlandschaft sind die Felder kunstvoll in Terrassen angelegt. Dreimal jährlich kann hier geerntet und gepflanzt werden. Allenthalben sieht man Frauen im knöcheltiefen Wasser stehen, oder auf den Feldern Reisstroh dreschen. Diesen Überfluss, ein Segen der Götter, wird den Göttern gedankt. In langen Schlangen stehen die Gläubigen mit Opfergaben vor den Tempeln. Tief ist die Frömmigkeit dieser Menschen. In Ihrem Glauben, haben sie sich eine Freude und inneres Gleichgewicht bewahrt, von dem wir uns so manches abschauen könnten.

Viele Tempel und heilige Stätten gibt es auf Bali.,Prachtvolle Etagenbauten, wie den Reichstempel von Mengwi „Pura Taman Ayun“ oder Höhlen wie Goa Lawah, die Fledermaushöhle, oder Goa Gajah die Elefantengrotte, die dem Elefantengott Ganesha geweiht ist.

Nicht weit von Mengwi, liegt der Affenwald von Sangeh. In den Muskatnussbäumen, hängen Fliegende Hunde, die hier den Tag verschlafen. Ansonsten bevölkern Horden von Makaken die Parklandschaft. Sie warten nur auf die nächste Busladung Touristen, um Futter zu erbetteln und Brillen oder Handtaschen zu stehlen und nur gegen Lösegeld wieder herauszugeben. Da werden Bananen und Schokolade plötzlich zur harten Währung. 

Affen sind heilige Tiere. Das Ramayna schildert die Kämpfe des Affengenerals Hanuman und seiner Truppen gegen den Dämonenfürsten Ravana. Heute scheint Hanuman seine Truppen im Stich gelassen zu haben, denn führerlos, sind sie zu frechen, lästigen Plünderern geworden.

Am späten Nachmittag erreiche ich mein Tagesziel, einen absoluten Höhepunkt jeder Bali-Reise, den Meerestempel Pura Tanah Lot. Spektakulär liegt das kleine Heiligtum auf einem Felsenriff. Pilger aus ganz Bali kommen hierher, um mit ihren Opfergaben das Meer zu besänftigen. Wer einen Sonnenuntergang in Tanah Lot erlebt hat, wenn die Sonne im Meer versinkt und die Türme der Pagoden sich als Schattenrisse vor dem glutroten Sonnenball abzeichnen, wird das im ganzen Leben nicht vergessen.

Am folgenden Tag nehme ich mir einen Ruhetag und wandere am Rande der Reisfelder entlang nach Mas. Allenthalben sind am Rande der Felder kleine Tempelhäuschen zu sehen, in denen Opfer gebracht werden, um die Götter milde und gewogen zu stimmen. Man bittet für eine gute Ernte und ein ruhen der Naturgewalten. Mas, der Name bedeutet Gold, ist das Dorf der Holzschnitzer. Entlang der Dorfstraße gibt es zahlreiche Ateliers und Galerien, in denen man den Schnitzern bei der Arbeit zusehen kann. Aus Ebenholz, Sandelholz oder dem zweifarbigen Hibiskusholz schaffen sie wahre Kunstwerke. Masken entstehen hier, für die Tanzveranstaltungen des Barong, aber auch vieles, was dem Geschmack der Touristen entspricht.

In Bali sind die Entfernungen nicht groß, fast alle Sehenswürdigkeiten kann man in Tagesausflügen erreichen. Um den rauhen Osten Balis zu erkunden, habe ich mir ein Minicar gemietet und bin nach Klungkung gefahren. Im 17. Jahrhundert zerfiel Bali, das Reich der Könige aus der Gelgel-Dynastie, in viele kleine Fürstentümer. Die Gelgel-Könige blieben zwar die mächtigsten und einflussreichsten Fürsten auf Bali, verlegten ihre Hauptstadt jedoch hierher, nach Klungkung. Von den Bauwerken, die den Zeitenlauf überdauerten, ist die Gerichtshalle Kerta Gosa das eindrucksvollste. Über eine Treppe, deren Handlauf aus zwei steinernen Naga-Schlangen gebildet wird, erreicht man den Gerichtssaal. Die Wand- und Deckenmalereien sind eine Art Gesetzbuch oder Strafenkatalog, die an die Darstellungen von Hieronymus Bosch erinnern. Die unteren Bildreihen beschreiben alle Qualen der Hölle, während die Deckenfresken eindringlich die Wonnen des Nirwana darstellen.

Östlich von Klungkung liegt das bedeutendste Tempelheiligtum Balis. Pura Besakih, liegt an den Ausläufern des heiligen Berges Gunung Agung; der mit 3142 m höchsten Erhebung auf Bali. Man nimmt an, dass bereits in vorhinduistischer Zeit, im 11. Jahrhundert, Gottheiten verehrt wurden, und ging davon aus, das sie im inneren des Vulkanes Agung lebten. In seiner Geschichte, hat Pura Besakih immer wieder den Zorn aber auch die Gnade der Götter zu spüren bekommen.

Im Jahr 1963, brach nach vielen Jahren der Ruhe, der Gunung Agung mit einer gewaltigen Eruption und einer großen Aschewolke aus. Die Katastrophe forderte mehr als 2.000 Todesopfer und machte über 300.000 Menschen in Ost-Bali obdachlos. Die Pilger und Gläubigen jedoch, die in Pura Besakih an der Flanke des Gunung Agung ausgeharrt hatten, blieben wie durch ein Wunder unversehrt.

Es gäbe noch so viel zu erzählen, von Bali, dem „Morgen der Welt“, von einer Besteigung des Vulkans Batur oder einem Besuch bei den Bali Aga, den Ureinwohnern der Insel, aber irgendwann muss jede Geschichte zu ihrem Ende kommen und am nächsten Tag geht das Flugzeug nach Deutschland. Als ich in der Maschine sitze und unter mir die Inseln des Glücks immer kleiner werden, denke ich an ein Wort des französischen Dramatikers Jean Anouilh:

„Schönheit ist eines der seltenen Wunder, die unsere Zweifel an Gott verstummen lassen“.