Vietnam – oder Ho Chi Minh’s Traum vom neuen Leben
Bac Ho und die 68er
Ich war noch ein kleiner Junge von neun Jahren als in Deutschland und im restlichen Europa Studenten durch die Straßen rannten und Ho – Ho – Ho – Chi Minh skandierten. Die Masse derer, die dort protestierten, wird wohl wenig über diesen Mann gewusst haben, den sie zu Ihrem Idol erhoben hatten. Ho Chi Minh war ein Mann mit vielen Namen und einem Ziel – der Befreiung Vietnams von kolonialer Herrschaft.
Ho Chi Minh bedeutet soviel wie „der die Erleuchtung bringt“. Mit so einem Namen wird man nicht geboren. Das Geburtsjahr liegt, wie so vieles im Leben Ho Chi Minh’s, im Dunkel. Sicher ist, dass er unter dem Namen Nguyen Sinh Cung in einem kleinen Dorf in der Provinz Nghe An geboren wurde. Den Geburtstag hat die Partei später pragmatisch auf den 19. Mai 1890 festgesetzt. Das Leben des Vaters der Nation nahm einen Verlauf, wie das vieler Revolutionäre. Zeitlebens musste er kämpfen; am Anfang ums Überleben und später gegen Franzosen, Japaner und Amerikaner.
In seiner Jugend kam er als Seemann nach Stationen in New York und London schließlich nach Paris. Er arbeitete als Küchenhilfe in Hotels und als Journalist. Die Lebensumstände, und die Aussichtslosigkeit auf eine Unabhängigkeit Indochinas, trieb ihn zunächst in die Arme der Sozialisten und später der Kommunisten. Dass er 1920 Mitbegründer der kommunistischen Partei Frankreichs war, werden wenige wissen. Enttäuscht von seinen linken Parteigängern, deren antikolonialistische Parolen für ihn nur Lippenbekenntnisse zu sein schienen, und auf der Flucht vor den Nachstellungen der Surété ging er Mitte der 20er Jahre nach Moskau, wo er an der „Stalinschule“ die letzten Weihen kommunistischer Indoktrination empfing.
Der Mann über dessen privates Umfeld so wenig bekannt ist, war zwei Mal verheiratet. 1920 ehelichte er die Französin Marie Briere und 1926 im chinesischen Guangzhou eine Landsfrau; die Hebamme Tang Minh Tuyet. Dieser „dunkle Fleck“ im Leben Ho Chi Minh’s wird von der kommunistischen Partei Vietnams verschwiegen. War Onkel Ho ein Bigamist ? Auf alle Fälle passt es nicht zum Bild des gütigen Onkel Ho, dem Vater der Nation.
Nachdem die Franzosen während des 2. Weltkriegs den Japanern gewichen waren, kehrte Ho Chi Minh im Jahr 1941 nach Vietnam zurück. Obwohl er 1945 die Unabhängigkeit ausrief, kehrten die Franzosen nach der japanischen Kapitulation nach Indochina zurück. Erst als die Kämpfer der Viet Minh in der Schlacht von Dien Bien Phu den französischen Truppen eine blutige Niederlage beibrachten, war Vietnam frei. Bitterer Beigeschmack des Sieges war die Teilung des Landes entlang des 17. Breitengrades in einen kommunistisch orientierten Nordteil, den Ho Chi Minh führte und dem Süden, der unter französischem und später amerikanischem Einfluss verblieb.
Bis zu seinem Tod im Jahr 1969 lenkte Ho Chi Minh die Geschicke Nordvietnams; die Wiedervereinigung immer fest im Blick. Heute ruhen die sterblichen Überreste Onkel Ho’s in einem monumentalen Mausoleum in Hanoi. Er liegt in einem gläsernen Sarg. Täglich ziehen Tausende daran vorüber, streng überwacht von humorlosen Gardisten, die auf Zucht und Ordnung achten.
All dies darf uns den Blick auf die Wahrheit nicht verstellen . Der spindeldürre Mann, um den sich heute ein gigantischer Personenkult rankt – der liebe Onkel Ho -, den die Studenten 1968 zu Ihrem Idol machten, war ein Diktator, der für die Erreichung seiner Ziele über Leichen ging.
Was hat das alles mit den 68ern zu tun ? Weder wir im Westen, noch die Vietnamesen, reflektieren die Bedeutung des Vietnamkonflikts bis in die heutige Zeit. Der Protest der Studenten gegen den Vietnamkrieg hat unsere Gesellschaft nachhaltig verändert. Die Obrigkeitshörigkeit wich einer Antiautoritätsgläubigkeit und ist mittlerweile in eine Laissez faire Einstellung umgeschlagen. Ob das gut oder schlecht ist vermag niemand zu beurteilen, die Entwicklung geht schließlich weiter.
Vietnam folgt dem chinesischen Modell der Marktwirtschaft unter einer Einparteien-Diktatur; unterscheidet sich vom großen Nachbarn im Norden aber durch ein hohes Maß an Freiheiten für das Individuum. …und Onkel Ho ? Wahrscheinlich wird es ihm irgendwann so ergehen wie Lenin, seinem großen Vorbild – vom Volk vergessen !
Der Siegeszug des Mopeds – Rua Xe !
Als ich 1996 das letzte Mal in Vietnam war, war der Drahtesel das bestimmende Transportmittel im Straßenbild. Heute, 12 Jahre später, knattert stinkt und hupt es von Saigon bis Hanoi. Was wird in 10 Jahren sein ? Wahrscheinlich werden Kleinwagen, wie der Tata Nano oder irgendein „Billig-Chinese“ das Bild bestimmen. Das ist der Fortschritt !
Wer in Saigon oder Hanoi den Versuch unternimmt die Straße zu überqueren, sollte Augen vorne und hinten haben. Ein kurzes Hupen und schon ist der vietnamesische Kleinkraftrad-Pilot an einem vorbei gebraust; – soll der blöde Fußgänger doch aufpassen ! Hier gilt das Recht des Stärkeren zumindest was die Pferdestärken anbelangt. Solch motorisierte Rücksichtslosigkeit fordert Ihren Tribut oder besser gesagt ihre Opfer. Kalt läuft mir der Schauer über den Rücken wo immer ich an einem schweren Unfall vorbeikomme; und davon gibt es viele. Mit 12.000 Verkehrstoten pro Jahr, steht Vietnam an der Spitze der Statistik. Auch die Einführung der Helmpflicht hat daran wenig geändert. Die Knautschzone ist der Kopf !
Unweit des berühmten Hotel Rex in Saigon rumpelt eine nicht enden wollende Kolonne von Mopedfahrern laut hupend an mir vorbei. Die „Biker“ tragen rot/gelbe T-Shirts und haben Ihren fahrbaren Untersatz mit rot/gelben Wimpeln geschmückt. Ich denke an eine kommunistische Betriebskampfgruppen,- aber heute ist Sonntag und damit Ruhetag im Reich der Werktätigen. Als in der Masse der Kradfahrer Helme auftauchen, die aussehen wie Fußbälle, wird schnell klar, dass hier Fußballfans unterwegs sind – präziser gesagt die Schlachtenbummler der vietnamesischen Fußball-Nationalmannschaft, die am Abend zuvor einen historischen Sieg über Thailand feierte und Südostasien-Meister wurde.
Das Moped ist zum Allround-Transportmittel avanciert. Ein Bauer hat drei Schweine aufgepackt und will damit auf den nächsten Markt. Irgendwo im Verkehrsstrom weiter hinten kommen mir wippend ein paar Mandarinen entgegen. Als der Mopedfahrer sich nähert, entpuppt sich das als ein 2,50 m hoher Mandarinenbaum, – Dekoration für das bevorstehende Tet-Fest. Sekretärinnen auf dem Weg ins Büro tragen zu den High Heels auf dem Moped, den unvermeidlichen Mundschutz und einen Helm in Leopardenmuster.
An einer Tankstelle in Kon Tum treffe ich Linh, die im örtlichen Tourist Office arbeitet. Auf ihrer roten Honda Dream, aufgebrezelt mit einen Mantel aus silbern schillernden Stoff, ärmellangen Handschuhen und schwarzem Mundschutz mit Totenkopf-Enblem ein echter Hingucker. 2,2 Mio. Dong, ungefähr 1.000 €, hat Ihre „Dream“ gekostet sagt sie, aber die billigen chinesischen Scooter seien so uncool. Mit einem Lächeln klappt sie die Sitzbank hoch, zückt ein kleines, rotes Lack-Portemanaie, zahlt den Tankwart und braust davon.
Und was bedeutet dieses Rua Xe, das auf vielen Schildern entlang der Straße steht ? Ganz einfach – Moped waschen ! 10.000 Dong also knapp 50 Cent für einen blankgeputzten Traum !
Oryza sativa – der Halm des Lebens
Glaubt man einschlägigen Statistiken, so sind 2/3 der Vietnamesen im Reisanbau tätig, erwirtschaften damit aber nur 20% des Bruttoinlandsproduktes. Aber – um Winston Churchill zu zitieren: „traue keiner Statistik,die Du nicht selbst gefälscht hast !“.
Die in sattem Grün leuchtenden Reisfelder zwischen Mekong-Delta und rotem Fluss scheinen die Zahlen zu bestätigen. Richtig ist sicher auch, dass Reis immer noch in mühsamer, arbeitsintensiver Handarbeit angebaut wird.
Die Sämlinge werden von Hand im Abstand von ca.10 Zentimetern in die vorbereitete, geflutete Ackerfläche gepflanzt. Je nach Wetterbedingungen und Region, kann man 2 bis 3 x im Jahr ernten. Reis gehört biologisch zur Familie der Gräser, hat einen hohen Anteil an Kohlehydraten aber wenig Proteine. Mehr als 8000 verschiedene Sorten sind bekannt. Die Hauptanbaugebiete liegen nach wie vor in Asien. Für mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ist Reis das wichtigste Nahrungsmittel. Mittlerweile gibt es in Manila eine Reis-Universität. Das International Rice Research Institute beschäftigt sich mit allen Fragen rund um den Reisanbau. Hier werden ohne Gentechnik Pflanzen gezüchtet, die mehr Ertrag bringen und weniger Methan an die Umwelt abgeben. Die Vitamin B 1 Mangelkrankheit Beriberi wird erforscht und Düngemethoden erprobt.
Nachdem die vietnamesischen Reisbauern im Rahmen der Wirtschaftsreformen des „Doi Moi“ an dem Gewinn aus dem Reisanbau beteiligt wurden, wurde aus Vietnam innerhalb eines Jahres vom Reis-Importeur zum Exportland. Zwischenzeitlich ist das Land nach Thailand und Indien drittgrößter Reisexporteur der Erde. Doch das könnte sich bald ändern. Die großen Reisverbraucher, China, Indien und Indonesien, legen Vorräte an und exportieren weniger. Innerhalb eines halben Jahres stieg der Preis für Reis um 25%.
Ein weiterer Grund für die Verknappung ist der wachsende Tourismus. Die „Welt“ titelte in einem Artikel „Golfspieler verteuern den Reis in Vietnam“. In der Tat entstehen in Vietnam zur Zeit mehr als 120 neue Golfplätze und die benötigen Platz, der für den Reisanbau nicht mehr zur Verfügung steht. Wer von Hoi An über den Wolkenpass kommt und die Küstenstrasse nach Da Nang nimmt, wird glauben, dass alle 120 Golfplätze hier entstehen. Wie an einer Perlenschnur reihen sie sich zumeist in Verbindung mit einem „5-Sterne Luxus-Ghetto“ an den Stränden des südchinesischen Meeres auf.
Von all diesen Dingen weiß ich noch nichts, als ich am späten Nachmittag eines sonnigen Januar-Tages durch die Reisfelder nahe einem Thai-Dorf bei Dien Bien Phu streife, und die „fleißigen Bienen“, die knöcheltief im Matsch stehen und den Rücken krumm machen, um die Sämlinge in den Boden zu bringen, wissen davon sicher auch nicht viel. An diesem Nachmittag entstehen im warmen Licht der tiefer sinkenden Sonne Bilder, die man nicht bei Bedarf aus der Schublade holen muss. Es sind Bilder, die unvergänglich im Kopf bleiben, weil sie nicht nur die hart arbeitenden Menschen zeigen sondern bei denen ein Funke überspringt, der etwas von gegenseitiger Zuneigung hat. Clash of cultures ist nur der Ausdruck absoluter Intoleranz. Als ich in Richtung Hotel wandere, fallen mir Worte des von mir so verehrten Immanuel Kant ein, der nie seine Königsberger Studierstube verlassen hat und die Frauen auf den Reisfelder von Dien Bien Phu nie sah. „Drei Dinge helfen, die Mühseligkeiten des Lebens zu tragen: Die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen !“
Ich steh’ im Regen und warte auf Dich ! – Hoi An
Auf dem ganzen Weg von Kon Tum nach Hoi An regnet es an diesem Tag in Strömen. Durch die Frontscheibe des Wagens verschwimmt der Dschungel zu einem einzigen grünen Brei. Die Wolken hängen tief und aus dem Unterholz des Regenwaldes dampfen schwere weiße Nebelschwaden. Von der wild romantischen Kulisse des Berglandes ist nichts sehen. Die Route folgt in weiten Strecken dem ehemaligen Ho-Chi-Minh-Pfad. Rechts und links der Straße breiten sich große Kautschuk-Plantagen aus. An den Stämmen der Bäume sind kleine Sammelschalen befestigt und die milchigweiße Latexflüssigkeit rinnt schlangengleich durch die eingeritzten Kanäle in der Baumrinde, bevor Tropfen für Tropfen in die kleine Schale fällt.
In einer Regenpause halte ich an. Am Rande eines Waldweges hat sich eine kleine Gruppe Frauen, die unterwegs sind um die Sammelschalen zu leeren, zum Frühstück versammelt. Es gibt frisch geschnittenes Zuckerrohr. Dafür benötigt man gute Zähne – wer die hat, langt mit Appetit zu.
Die Bäume verlieren ihr Laub. Der Himmel ist grau. Eine Stimmung wie bei uns im Spätherbst. Auf dem Weg stehen die Eimer mit der weißen Latex-Milch. Die Damen des Frühstückskränzchens sind neugierig. Alle Sprachbrocken, die zur Verständigung dienen, werden hervorgekramt und so entspinnt sich eine spannende Unterhaltung.
Der Regen setzt wieder ein und ich flüchte ins Auto. Sintfluten prasseln vom Himmel. Als ich gegen Abend Hoi An erreiche, rinnt das Wasser schon die Gehsteige hinunter und sammelt sich in den Schlaglöchern. Da ist es schon tröstlich, wenn man ein schönes Dach über dem Kopf findet. Das Life Heritage Resort am Ufer des Thu Bon Flusses ist ein solcher Ort. Eintreten und wohlfühlen ! Hoi An ist touristisch voll erschlossen und zeigt Ansätze die den abenteuerorientierten Globetrotter eher abschrecken als anziehen. Wer genau hinschaut kann in Hoi An abseits von japanischer Brücke, daoistischen Tempeln und chinesischen Handelshäusern aber auch viele Kleinode entdecken.
Neben dem typischen Touristenramsch, der hier gefertigt wird oder aus China herüberschwappt, haben sich viele bildende Künstler und Kunsthandwerker angesiedelt, die Hochwertiges anbieten. Beliebt sind die stofbespannten Lampions, die in allen Farben erstrahlen und ein preiswertes und typisch vietnamesisches Mitbringsel sind.
Der frühe Morgen ist eine gute Zeit für einen Bummel durch die Stadt. Es ist die Zeit, zu der die Händler noch leicht verschlafen ihre Stände öffnen und die Massen sich noch nicht durch die Gassen schieben. Eine junge Frau kommt mir mit einem Tragejoch entgegen, an dem 2 volle, schwere Körbe mit Mandarinen, Jackfruit und Pitahaya hängen. Wir kommen ins Gespräch und sie erzählt, dass so ein Regen für diese Jahreszeit ungewöhnlich sei. Normalerweise sei es sonnig und schön. Es regne schon seit Tagen, und die Stadtverwaltung habe bereits das jährliche Open-Air-Konzert zu Silvester abgesagt; Die Geschäfte gehen schlecht ! Ich kaufe ihr für ein paar Dong eine Tüte Mandarinen ab und sie strahlt: Gutes Geschäft so früh am Morgen.
In einem Hinterhof beginnt eine Familie mit der täglichen Lampion-Produktion. Die Töchter, wie die Orgelpfeifen aufgereiht, bekleben unter Anleitung der Mama und dem strengen Regiment der Oma mit flinken Fingern die vorgefertigten Bambusgerippe mit buntem Stoff. Vor der Tür lädt ein Rickschahfahrer die roten, violetten oder gelben Laternen auf sein Gefährt um sie zu einem der unzähligen Läden in einer der Einkaufsstrassen Hoi An’s zu schaffen.
Mittlerweile sind auch die fliegenden Händler unterwegs. Der Renner des Tages sind Schirme und Regencapes, und bald künden auch die ersten Touristen, eingehüllt in gelbe oder rosa Ganzkörper-Plastikhauben, von merkantiler vietnamesischer Überredungskunst. So verkleidet erinnern sie mich an eines von Christo’s Verpackungs-Kunstwerken.
Vor dem Hotel An Huy spricht mich ein schwarz gekleideter junger Mann an. Er wolle deutsch lernen. Er arbeitet an der Rezeption im Hotel und zieht sogleich einen Zettel aus der Tasche. Der Einladung zum Kaffee folge ich gerne. Auf dem Zettel stehen auf englisch die wichtigsten Fragen eines Hotelgastes an einen Portier, und er bittet mich zu übersetzen.
Gegen Abend suche ich einen Platz zum Abendessen. Bei dem reichhaltigen Angebot an Restaurants ist das leicht. Die vietnamesische Küche ist lecker, gesund, gut gewürzt und nicht zu scharf. Eher durch Zufall, denn durch gezielte Auswahl, finde ich das kleine Restaurant Phú Thièn. Die Speisekarte ist typisch vietnamesisch. Obligatorisch ist die Nudelsuppe Pho Bo oder Frühlingsrollen. Als Hauptgericht kann man eine der zahlreichen Varianten – vom Schwein, Rind, Huhn oder Seafood wählen. Gegrillt, gekocht, sautiert, frittiert mit Sesam, Zitronengras oder süß-sauer; alles sehr lecker. Dazu ein kaltes „Bia“ und eine sehr freundliche Bedienung macht zusammen 100.000 Dong, also knapp 5,– €. Als ich wieder vor die Tür trete, regnet es ! Was auch sonst ?
Nationalstraße N 1 – Nabelschnur eines Landes
Die N 1 ist der 2.300 km lange rote Faden, der Lang Son im äußersten Norden mit Ca Mau ganz im Süden verbindet. Auf, und vor allem beiderseits der Straße pulsiert das Leben. Auch ohne die großen Höhepunkte einer Vietnam-Reise, ließen sich über die Begegnungen am Rande so viele Geschichten erzählen; anrührende und spannende. Nicht weit von Buon Ma Thuot leben viele Maniok-Bauern. Maniok auch Kassava oder Brotwurzel genannt, ist eine stärke- und eiweiß-haltige Knolle. Neben Reis zählt insbesondere das Tapioka genannte Mehl der Maniokwurzel zu den Grundnahrungsmitteln. Gekocht schmeckt die Wurzel fad und macht „stumpfe Zähne“. Auch der Schnaps, der aus der Wurzel gebrannt und in großen Steinguttöpfen verkauft wird, ist nicht gerade ein Nektar der Götter. Die Bauern breiten die geschälten Wurzeln am Straßenrand zum Trocknen aus.
Bald werden die weiß-braunen Maniokflächen von grün-braunen Flächen abgelöst. Hier ist die Heimat der Besenbinder. Kilometerweit liegen die Gräser zum Trocknen ausgebreitet. Wenn die Ware „besenreif“ ist, wird sie zu handlichen Bündeln geschnürt, eingelagert, verkauft oder gleich vor Ort zu Besen verarbeitet.
In einem kleinen Dorf im zentralvietnamesischen Hochland, kurz vor Kon Tum, lodert ein Feuer an der Straße. Auf einem langen Bratspieß dreht sich eine Schwein, irgendwo in der Größe zwischen Spanferkel und ausgewachsener Sau. Eine kleine Familie hat hier ihren „Freiluft-Grill“ geöffnet. Der Vater hat den Bratspieß praktischerweise mit einem Autolenkrad versehen. Da fällt das Grillen leicht. Frei nach dem Werbeslogan „Sau am Steuer – gar nicht teuer !“.
Wenige Häuser weiter hängen Glasnudeln zum Trocknen auf endlosen Holzgerüsten. Gegen den tiefblauen Himmel sehen die Nudeln, die aus Reismehl und Wasser gezogen werden, wie Engelshaar aus. Der Nudelmacher erzählt, dass er mit seiner Familie fast 2 to. Nudeln pro Monat produziert, und das ist eine ganze Menge der leichten und zerbrechlichen Teigwaren.
Vor vielen Häusern liegen Kaffeebohnen zum Trocknen aus und werden mit breiten Rechen immer wieder gewendet, damit sie nicht schimmeln. Vietnam ist, was wenige wissen, zweitgrößter Kaffee-Exporteur der Welt. Der Anbau der Sorte Robusta ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte und Existenzgrundlage vieler Kleinbauern, die es damit zu Wohlstand gebracht haben. …und wer hat es erfunden? Wir die Deutschen. In der DDR Die Kaffeeplantagen sind fast immer von Pfefferbüschen eingerahmt, da die Pfefferpflanze ein Sekret absondert, das Schädlinge abwehrt und den Kaffee unbeschadet gedeihen lässt. So ist es nicht verwunderlich, dass Vietnam auch größter Pfeffer-Exporteur der Welt ist.
Wer also dahin gehen soll, wo der Pfeffer wächst, der kommt hierher an die Nationalstraße N 1, wo es immer neue Begegnungen und Geschichten gibt, die das Erzählen lohnen !
Halong – Maritimer Rummelplatz
Halong ist quasi der Hinterhof der Hauptstadt Hanoi. Über Haiphong erreicht man in gut 4 Stunden diese atemberaubende Landschaft. Halong bedeutet soviel wie „Bucht des untertauchenden Drachen“. Nach der Legende lebte dereinst ein Drache in den Bergen. Als der Drache sich zur Küste aufmachte, riss er mit seinem Schwanz tiefe Furchen in das Land, die vom Meer überflutet wurden. Heute ragen als Ergebnis dieses Gewaltaktes fast 2.000 „Drachenzähne“ aus dem Meer.
Die UNESCO hat die Halong Bucht zum Weltnaturerbe ernannt. Leider ist dieses Naturwunder stark gefährdet, wenn dem wild wuchernden Tourismus nicht Grenzen gesetzt werden. Früher befuhren Dschunken mit den typischen roten Segeln den Golf von Tonkin und die 1.500 km² große Bucht von Halong mit ihren aus dem Wasser ragenden Kalkfelsen. Heute sind die Dschunken verschwunden – unwirtschaftlich ! Stattdessen durchpflügen zahllose Touristenschiffe die Bucht. Morgens schwärmen sie von Halong-Stadt aus, landen die Besucher an einer der zahllosen Inseln an, und schleusen sie wie Herdenvieh durch eine der vielen Kalksteingrotten. Es gibt Hotelschiffe jeder Art und Größe, und von der mehrtägigen Honeymoon-Cruise, über Kanu-Touren bis hin zu „vietnamesischen Butterfahrten“, auf denen neben Handarbeiten und Kunsthandwerk alles angeboten wird, was das Touristenherz begehrt.
Ich habe keinen besonders glücklichen Tag erwischt. Mit einigen Freunden mache ich mich auf den Weg. Wir verlassen die Insel Tuan Chao; früher Rückzugsort der greisen Politprominenz – heute Spielplatz für sonnenhungrige 5-Sterne-Touristen aus aller Welt. Viel würde ich jetzt für einen Sonnenstrahl geben. Aber die Bucht liegt in tristem Grau und was andere mystisch nennen, nenne ich trostlos. Wir schippern dahin, vorbei an Austern-Farmen und Händlern, die auf ihren schwimmenden Supermärkten, Bananen, Mandarinen, Kekse und Coca-Cola anpreisen.
Ich habe Zeit meinen Gedanken nachzuhängen und denke an die Zeit zurück als Halong noch nicht maritimer Rummelplatz sondern Schauplatz erschütternder Szenen der Zeitgeschichte war. In den 70’er und 80’er Jahren flüchteten von hier die Boat-People. Opfer der Kriegswirren und Flüchtlinge vor den Repressalien des neuen Systems. Auf kleinen Nussschalen wagten sie sich hinaus auf die See. Man schätzt das mehr als 250.000 Flüchtlinge die rettenden Ufer nicht erreicht haben und auf dem Grund des südchinesischen Meeres ihre letzte Ruhestätte fanden.
Als unser Schiff sich schon wieder dem Hafen nähert, lugt die Sonne durch die Wolken. Ich verhandle mit dem Käpt’n und für 60 $ wendet er den Kahn und wir steuern zurück in die Wunderwelt der aus dem Meer ragenden Karststümpfen. Wie ein bisschen Sonnenschein doch den Tag versüßt !
Viel Feind, viel Ehr’ – Dien Bien Phu und die Folgen
Als ich ein kleiner Bub war, wohnte in der Mansardenwohnung über uns „Onkel Hermann“. Er war natürlich nicht wirklich mein Onkel, aber er war kinderlieb und wusste spannende Geschichten zu erzählen. Im Hausflur wurde viel getuschelt, Onkel Hermann sei bei der Fremdenlegion gewesen „der Verbrecher !“. Damals konnte ich damit überhaupt nichts anfangen, erst viele Jahre später; da hatte der Allmächtige oder der Teufel (das ist nur eine Frage des Blickwinkels) Onkel Hermann schon längst zu sich geholt, begriff ich die Zusammenhänge.
Kaum war der Krieg aller Kriege zu Ende, schickte die Kolonialmacht Frankreich in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Soldaten in die Unruhegebiet nach Algerien und Indochina. Obwohl man nur nominal zu den Siegern des zweiten Weltkrieges gehörte und der Glanz der Grand Nation schon längst verblasst war, führte man Krieg – einzig zum Zwecke des Machterhalts. Große Schätze waren nicht entdeckt und auch nicht zu erwarten.
Als Ho Chi Minh einseitig die Unabhängigkeit erklärte, war die Saat für den Konflikt gelegt. Verluste an französischen Leben wollte die Regierung der kriegsmüden Bevölkerung im Kernland nicht zumuten, so entsandte man vorwiegend Fremdenlegionäre und Kolonialtruppen aus dem Senegal. In Frankreich schätzte man die Bereitschaft der Vietnamesen für ihre Unabhängigkeit zu kämpfen lange falsch ein, und der vor sich hinplätschernde Guerillakrieg der Viet Minh verleitet die französische Generalität zu der Annahme, die vietnamesischen Widerständler seien zu einem „ordentlichen“ Kampf nicht fähig.
Beides sollte sich als klassische Fehleinschätzung erweisen. Die für uneinnehmbar gehaltene Festung Dien Bien Phu erwies sich als Falle. Mitten im Dschungel gelegen, nur 200 km von der laotischen Grenze entfernt, fühlten sich die französischen Militärs sicher. Man glaubte nicht, dass die Viet Minh in der Lage seien schweres Gerät über die unwegsamen Dschungelpfade heranzuschaffen. Doch die Vietnamesen hatten zwei Dinge, die zum Sieg führten – unbändige Leidensfähigkeit und mit dem nur 43 Jahre alten General Vo Nguyen Giap einen brillanten Anführer.
Bis zum Morgen des 13. März 1954 hatte Giap in aller Heimlichkeit rund 30.000 Mann rund um Dien Bien Phu zusammengezogen, die sich durch unterirdische Gänge und Gräben unbemerkt der Festung näherten. 55 Tage wogte das Kriegsglück hin und her. Auf dem Höhepunkt der Kampfhandlungen standen 50.000 Viet Minh rund 15.000 Mann unter französischem Kommando gegenüber. Am 7. Mai 1954 erkannte der französische Kommandeur Christian de Castries die Aussichtslosigkeit der Lage und kapitulierte. Die Schlacht um Dien Bien Phu war der Schlussakkord der französischen Herrschaft in Indochina, aber nicht das Ende des Mordens. Auf dem Schlachtfeld blieben mehr als 10.000 Gefallene, über 20.000 Verwundete und Vermisste, und mehr als 11.000 Franzosen gingen in Gefangenschaft
An der Genfer Indochinakonferenz, nahmen neben Frankreich und der Demokratischen Republik Vietnam auch die USA, China, Grossbritannien, die UdSSR, Laos und Kambodscha teil. Nach 87 mühseligen Verhandlungstagen war der Indochina-Konflikt beendet. Ergebnis der Friedensverhandlung war die Teilung Vietnams.
Da die USA das Abkommen nicht unterzeichneten und offen das Regime Diem im Süden unterstützen, führte dies schnell zu Reibereien mit dem kommunistischen Norden. Schon Präsident Eisenhower entsandte die ersten Militärberater. 1958 kam es zu vereinzelten bewaffneten Scharmützeln.
In der kurzen Amtszeit Präsident Kennedys waren Berlin und die Kuba-Krise die Brandherde, die es zu löschen galt. Vietnam blieb lange Zeit den Militärs überlassen. Der Krieg eskalierte und war der erste Krieg, der nicht nur auf den Schlachtfeldern sondern auch in den Medien ausgetragen wurde. Das Fernsehen war immer live dabei.
Als Protestler und Studenten vor das Weiße Hause zogen und riefen „Hey, Hey LBJ, how many kids did you kill today ?“ war dies das Ende für den blassen Präsidenten Johnson, der dem charismatischen Kennedy gefolgt war. Der skrupellose Nixon weitete unter Verletzung des Völkerrechts die Kampfhandlungen auf Laos und nach Kambodscha aus um die nordvietnamesischen Nachschubwege abzuschneiden.
Zwischen der Bombardierung Nordvietnams im März 1965 und der Eroberung Saigons durch die Viet Cong im April 1975 liegen 10 Jahre erbitterter Kämpfe. 8 Millionen Tonnen Bomben gingen auf Vietnam nieder, das ist 3x soviel wie im 2. Weltkrieg. 7 Millionen Tonnen chemischer Kampfstoffe vernichteten 6 Millionen Hektar Wald. Das Ergebnis sah so aus: 58.000 Tote auf amerikanischer Seite, fast 1 Million tote Käpfer auf nordvietnamesischer Seite und 250.000 tote südvietnamesische Soldaten, über 800.000 tote Zivilisten und mehr als 10 Millionen Flüchtlinge. Nackte Zahlen, – anonym, bedrückend, beschämend !!
Wenn ich an den Krieg zurückdenke kommen mir zwei Bilder in den Sinn, die sich für immer in mein Gedächtnis eingebrannt haben. Nguyen Ngoc Loan der Polizeichef von Saigon, der 1968 vor laufenden Kameras westlicher Reporter einen gerade festgenommen FNL-Kämpfer auf offener Straße mit einem Kopfschuss hinrichtete und Phan Thi Kim Phuc; damals 1972 ein Mädchen von 9 Jahren, das bei einem Napalm-Angriff auf ihr Dorf schwerste Verbrennungen erlitt. Während sie nackt vom Ort des Grauens floh, wurde sie von dem Pressefotografen Nick Ut fotografiert. Beide Fotos gingen um die Welt; gewannen den Pulitzer-Preis und waren aufgrund ihrer medialen Wirkung für die Nordvietnamesen bedeutsamer als ein militärischer Sieg.
Die amerikanische Öffentlichkeit war kriegsmüde, müde die Bilder der „Boys“ zu sehen, die im Leichensack die Heimreise antraten, und müde der Grausamkeiten, die jeden Tag zu Cornflakes und Rührei im Frühstücksfernsehen angeliefert wurden. Der Krieg war zu Ende, lange bevor Henry Kissinger und Le Duc Tho sich in Paris die Hand zum Frieden reichten.
Was haben die Menschen aus „Dien Bien Phu“ gelernt ? Falkland, Afghanisthan, Kongo, Irak, Angola, Mozambique, Kosovo, Ruanda, Bosnien …nichts, nichts, nichts !
Sa Pa – Minoritätenzirkus im Norden
Von Hanoi aus, sind es gut 13 Stunden Fahrt hinauf in den Norden. Die Straßen sind lausig schlecht. Tiefe Schlaglöcher – jede Menge Baustellen; unzählige Bagger und Raupen wühlen sich durch die Landschaft. Sa Pa ist eine Kleinstadt unweit der chinesischen Grenze und hat sich zum touristischen Zentrum im Norden gemausert. Der berühmte Samstagsmarkt zieht Touristen und Einheimische gleichermaßen wie ein Magnet an. Es ist dunkel als ich ankomme und die Temperatur ist unter den Gefrierpunkt gesunken. Bereits 1903 hatten die hitzegeplagten französischen Kolonialherren den 1660 m hoch gelegenen Ort als Kur- und Erholungsort entdeckt. Das Victoria-Hotel – auf einem Hügel oberhalb der Stadt gelegen – ist an Gemütlichkeit kaum zu übertreffen. Im Kamin prasselt ein behagliches Feuer und ein Reisschnaps wärmt von innen.
Rund um Sa Pa leben zahlreiche verschiedene Völkerschaften, die sich vor langer Zeit auf der Flucht vor den Kriegswirren in Ihren Heimatländern China und Thailand hier ansiedelten. Die Minderheiten der schwarzen Hmong, roten Dao, schwarzen und weißen Thai, Flower Hmong und Lu grenzen sich besonders durch die bunte Tracht der Frauen voneinander ab. Traditionen werden gepflegt ohne jedoch auf moderne Errungenschaften zu verzichten. Der Umgang mit fremdem und Fremden ist offen und ungezwungen. Trotzdem bleiben die Volksgruppen unter sich.
Cat Cat ist ein kleines Dorf der schwarzen Hmong unweit von Sa Pa. Die Tracht der Frauen besteht aus einem indigo-gefärbten Faltenrock, gleichfarbigen Wadenwickeln und Kopfputz. Das Oberteil ist bunt und kunstfertig bestickt. Dazu werden große Silber-Ohrringe und Armreife getragen. Die Tracht der Männer ist schlicht. Ich schlendere über die steilen Stiege und verlasse den Ort ernüchtert. Es war wie ein Besuch im Zoo. Die Menschen abgestumpft vom permanenten angeglotzt und fotografiert werden ! Rilke’s Panther kommt mir in den Sinn ……..“sein Blick ist vom Vorübergeh’n der Stäbe so müd’ geworden, das ihn nichts mehr hält. Es ist als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt !“
Auch den Markt in Sa Pa finde ich enttäuschend. Der Funke – ein Blick, ein Lächeln; das was die Begegnung mit Menschen ausmacht – springt irgendwie nicht über. Auf dem Markt werden die Güter des täglichen Bedarfs gehandelt. Von Calvin Klein Boxershort-Plagiaten bis zu Korriander-Grün gibt es alles, was das Herz begehrt. Hmong- und Dao-Frauen kommen von weit her, nehmen lange Fußmärsche auf sich um den Touristen ihre Handarbeiten anzubieten. Im Moment ist keine Touristensaison, und ich brauche nur eine Mütze für einen Kopf. So verlaufen die meisten Verkaufsverhandlungen am Ende mit dem obligaten ….“sorry, but I do not need it !“. Gute Fotos wollen so nicht entstehen bis mir eine Idee kommt:. Fotomodelle müssen her ! Die Trachten sind so bunt, die Gesichter so spannend; erzählen unendlich viele Geschichten. Das will ich zeigen. Ich ziehe los, spreche ungalant Damen an und handle Tarife aus. Manchmal stoße ich auf Ablehnung, meistens auf Skepsis – und mit Glück auf Neugier. Das gängige Honorar liegt bei 150.000 Dong pro Stunde. Am Ende habe ich „Vietnams next Top-Models“ zusammen. Alles in allem 10 Damen zwischen siebzehn und siebzig. Wir verabreden uns auf 14:00 Uhr in einer Ecke des großen Marktplatzes; und es gelingt etwas was ich nicht zu hoffen gewagt hatte. Der Funke springt über, die Skepsis weicht einem Lachen; „Models“ und Fotograf haben gleichermaßen viel Spaß und am Ende auch jede Menge Zuschauer. Als wir uns trennen, hat jeder etwas zu erzählen von diesem ungewöhnlichen Tag.
Thanh Binh wird in den Reiseführern häufig als Handwerkerdorf beschrieben. Das macht mich neugierig. Um nach dort zu gelangen muss man auf halber Strecke einen kleine Wegezoll bezahlen. Eintritt in den Zoo denke ich, und erinnere mich mit Bauchschmerzen an Cat Cat. Doch es kommt ganz anders. Am Ortsrand bin ich im Handumdrehen von gut 20 „Rotkäppchen“ umzingelt die in mir den kaufwilligen Westler zu erkennen glauben. Die roten Dao sind aus China zugewandert. Die Frauen rasieren sich teilweise den Kopf bis zum Haaransatz und zupfen sich die Augenbrauen aus. Zu einer schwarzen, mit geometrischen Mustern bunt bestickten Jacke wird zur Arbeit ein leichtes rotes Kopftuch und an Markttagen ein schwerer karmesinroter Kopfputz getragen, in den manchmal rote Quasten, Perlen und kleine silberne Münzen eingearbeitet sind. Gegen die Masse kann ich mich nicht wehren und gebe bereits auf, als eine der Frauen …..“I know you !“ ruft; und ich erkenne eines meiner Fotomodelle vom Vortag. Schnell bin ich zu einem Tee eingeladen, und die übrigen Damen kehren zu Ihren Handarbeiten zurück. Vor fast jedem Haus hängt ein Schlafsack zum Lüften. Erst jetzt realisiere ich, dass diese Schlafsäcke noch gestern Nachmittag in der Sonne in der Mitte des großen Marktplatzes von Sa Pa lagen. Die Frauen wandern von Ihren Heimatdörfern in den Bergen stundenlang zum Markt und übernachten im Freien in der Kälte. Ein harter Broterwerb ist das. Als ich mich von meiner Gastgeberin verabschiede, habe ich doch noch eine Mütze gekauft. Was soll’s ! – vielleicht wächst mir irgendwann auch ein zweiter Kopf ?
Epilog
Was bleibt von Vietnam ? Es bleiben die Erinnerungen an Begegnungen mit liebenswerten Menschen. Es bleiben viele Geschichten, die noch erzählt werden wollen und es bleibt die Sehnsucht irgendwann in dieses Land zurückzukehren. Ich versuche immer meine Reisen unter ein Motto zu stellen. Im Flugzeug, – 10.000 m über dem südchinesischen Meer, lese ich in einem kleinen Zitatenschatz …
Der Sinn des Reisen besteht darin, die Vorstellungen mit der Wirklichkeit auszugleichen, und anstatt zu denken, wie die Dinge sein könnten, sie so zu sehen wie sie sind. (Samuel Johnson )