YES ! we are NO terrorists !

Mann kann es drehen und wenden wie man will, der Iran hat ein Imageproblem – und dies nicht erst seit gestern. Mitte der 90er Jahre war ich das erste Mal auf der „Achse des Bösen“ unterwegs. Damals – wie heute – riskiert man ein gewisses Unverständnis bei der Antwort auf die Frage, warum man freiwillig in den Iran reist. Da werden die Augenbrauen hochgezogen und die Stirn gerunzelt. Ich ertappe mich selbst dabei, dass ich von Persien und nicht vom Iran spreche. Das meiste, was wir vom Iran zu wissen glauben, erweist sich als Klischee. Unsere Wahrnehmung beschränkt sich auf das was die Medien uns vermitteln.

Selten steht die politische Führung eines Landes in solch krassen Gegensatz zu Ihren Bürgern. Die Ayatollahs, die zumeist mit grimmigen Blicken von Transparenten herabschauen oder über die Mattscheiben flimmern, haben wenig gemein mit den Menschen im Iran. Auch einfache Imame und Mullahs sind freundliche, zuvorkommende Zeitgenossen. Iraner sind interessiert am Fremden, sind höflich und gastfreundlich. Selbst in den kleinsten Dörfern bricht sich die Neugier Bahn; – man wird auf der Straße oder im Restaurant angesprochen: „Where are you from ? How do you like Iran ? Welcome to my country !”

Häufig wird man gebeten für ein Photo zu posieren. Die Iraner zücken ihr Mobiltelefon und machen ein „Selfie“ mit mir als exotischem Hingucker. Wenn man zeitlebens sein Geld damit verdient hat, andere vor die Linse seiner Kamera zu zerren, dann muss man das aushalten.

Einen Satz, den ich bei Begegnungen im Iran häufig gehört habe ist: „Erzählen sie zuhause bitte, dass wir KEINE Terroristen sind !“ – …und um einen selbsternannten Terroristenjäger zu zitieren: „Mission accomplished“ ;-))

Allah, Jesus, Buddha – All Holy Men ! – All same, same…

Die wenigsten gläubigen Muslime würden diesen Satz wahrscheinlich unterschreiben und auch bei orthodoxen Juden und strammen Katholiken würde er kaum Anklang finden. Aber ich, – blauäugiger, agnostischer Backpacker, unbedarft und im Versuch in freundliche Kommunikation mit Andersgläubigen zu treten, habe das einmal so formuliert.

Das Ergebnis; – man hat mich aus dem Bus geworfen. Das war 1978, ein Jahr vor der Revolution. Ich war im Überlandbus auf dem Weg von Erzerum in der Türkei nach Täbris. Damals war das noch möglich. Der Satz Abraham Lincolns: „Better to remain silent and be thought a fool, than to speak and remove all doubt“; – dieser Satz ist heute so wahr wie zu Lincoln’s Zeit. Heute ist mein Wortschatz differenzierter und mit meinen Äußerungen bin ich vorsichtiger. Als „Aufmacher“ würde ich den Satz durchgehen lassen, zeigt er doch, wie widersinnig die Behauptung ist, dass nur eine einzige Glaubensrichtung die allein seligmachende ist.

Über Religion zu diskutieren gleicht immer der Überquerung eines verbalen Minenfelds. Dazu muss man nicht in den Iran reisen. Solange Kirchenfürsten in Rom behaupten, dass die demokratisch legitimierte Entscheidung eines Volkes eine „Niederlage für die Menschheit“ sei, solange sollte man Andersgläubigen ein in manchen Punkten ebenso schiefes Weltbild nicht vorhalten. Die meisten Iraner leben ihren Glauben liberal und sind weit von Fanatismus entfernt.

Trotzdem sind Glaubensfragen zwischen Muslimen und Christen gerade in den letzten Jahren belastet. In der Vergangenheit war ich häufig Gast in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens aber auch in Nord- und Westafrika; besonders in der Zeit während und nach dem „Arabischen Frühling“. Wie groß war die Euphorie der Menschen weltweit. „Jasmin-Revolution“ hat man den „Arabischen Frühling“ auch genannt, – klingt zunächst gut!

Was ist daraus geworden? “Failed States”, – Libyen, Mali, Niger, Nigeria, Jemen, Irak, Syrien, Afghanistan, Somalia und, und, und… – Rückkehr zur Militärdiktatur in Ägypten, Gräueltaten des selbsternannten „Islamischen Staates“, Bürgerkrieg im Jemen, Flüchtlingsströme im Ansturm auf die Festung Europa. Von meinen muslimischen Freunden kommen häufig die berühmten „Totschlagargumente“ : „Ihr im Westen habt etwas gegen uns“ und „seht wie lange es bei Euch gedauert hat, bis ihr dort steht, wo ihr heute seid.“ Ich kann diese Stereotype, nicht mehr hören. So denken nur Menschen mit einem binären Verstand. Die Welt ist weder schwarz, noch weiß oder grau. Die Welt ist bunt! Was soll man ihnen entgegnen ? Viele Gräueltaten und Attentate werden von Menschen begangen, die sich auf den Islam berufen, das ist nun einmal Fakt.

In der Häufung und durch die alltägliche mediale Präsenz differenzieren schlichtere Gemüter auf beiden Seiten immer weniger und sind mit Schuldzuweisungen allzu schnell bei der Hand. Bei uns schreit man auf, wenn der „IS“ Journalisten und Nothelfer enthauptet. Das ist schlimmste Barbarei! Dass aber viel mehr Muslime durch Islamisten umgebracht werden, darüber sehen wir nur allzu gerne hinweg.

Und ja; – was wir als Zeitalter der Aufklärung bezeichnen hat Jahrhunderte gedauert und manchmal will mir scheinen das wir mit der Aufklärung noch immer nicht fertig sind. Aber in jener Zeit, welche wir das Zeitalter der Aufklärung nennen sind wir noch mit Postkutschen gereist und die Nachrichtenübermittlung von Ort zu Ort dauerte oft Wochen. Heute leben wir im Zeitalter von Internet und Interkontinentalflügen, da darf es mit der Aufklärung schon ein wenig schneller gehen.

Der wegen seiner charismatischen Persönlichkeit von mir sehr verehrte John F. Kennedy hat nur wenige Monate vor seinem Tod in einer Ansprache vor dem Auditorium der American University einen Satz geprägt den man in die Betonköpfe auf allen Seiten einmeißeln sollte:

“Our problems are man-made, therefore they may be solved by man. And man can be as big as he wants. No problem of human destiny is beyond human beings.”

Die einzige Frage bleibt, wann fangen wir endlich damit an ?

Wenn ich groß bin werd’ ich auch mal Spießer – Kebab & Co.

„Die persische Küche ist eine orientalisch-asaiatische Küche. Das Essen wird kunstvoll zubereitet, und es wird viel Wert auf Geschmacksharmonie der Zutaten gelegt“. – So kann man das bei Wikipedia nachlesen, und so steht es auch in jedem besseren Reiseführer von „Richtig Reisen“ bis „Lonely Planet“.

Frische Zutaten in bester Qualität finden sich in jedem Basar. Da biegen sich die Verkaufsstände nur so unter der Last von leckerem Obst und Gemüse. Auf den Tellern in Restaurants und Hotels spiegelt sich davon jedoch leider wenig wider. Wahrscheinlich wird persische Kochkunst nur von der Hausfrau am heimischen Herd zelebriert. Man wählt den Iran nicht als Reiseziel für eine Gourmetreise. Für mich hat Reisen aber auch immer etwas sinnliches.

Als Fotograf steht der Genuss für das Auge im Vordergrund, da ist es allzu natürlich, dass man einen Ausgleich sucht – und Essen und Trinken wären da ein schöner Anfang. Von guten Getränken berichten nur die persischen Mystiker und Dichter. Hafiz, Saadi und Rumi konnten den guten Wein gar nicht genug lobpreisen. – Doch das war im 11. und 12. Jahrhundert. Die Realität heute besteht aus Tee, alkoholfreien Malzgetränken mit verschiedensten Fruchtaromen; – die man „Bier“ nennt und den üblichen pappsüßen Softdrinks aus heimischer oder importierter Produktion.

Findet man auf einer Speisekarte eine Suppe, so zumeist eine Graupensuppe. Ein Shish-Kebab, Hähnchen- oder Lamm-Spieß, gebratenes Huhn und – seltener ein Süßwasserfisch – sind die Standardgerichte. Dazu kommt das dünne Fladenbrot, das jedoch nur ganz frisch aus dem Ofen richtig lecker schmeckt und dessen Konsistenz nach wenigen Stunden bereits an ein Fensterleder erinnert. Reis in üppigen Mengen, dazu gegrillte Tomaten, rohe Zwiebeln und sauer eingelegtes Gemüse. Die Köche im Iran sind echte „Spießer“. Ich weiß nicht, ob mich die Erinnerung trügt; ich fand das Essen in der Vergangenheit „leckerer“.

Unschlagbar sind die persischen Süßigkeiten: Lässt man einmal den Nougat beiseite, der nur süß und eine absolute Kalorienbombe ist, bietet jede Region im Iran wohlschmeckendes Backwerk. Unübertroffen ist ebenfalls das breite Angebot an Pistazien, Datteln und anderen Trockenfrüchten. – und nirgendwo sind die Melonen süßer als im Iran.

Opposition mit Lippenstift und Wimperntusche

„Sei fröhlich mit den schwarzäugigen Mädchen, die lachen, denn die Welt ist nichts als Wind und eine Mär.“ So schrieb der persische Mystiker Rudaki im 10. Jahrhundert. Das Lachen der schwarzäugigen Mädchen von heute ist noch genauso ansteckend wie vor 1000 Jahren. Die Moralwächter, die in den Frauen nach der Revolution von 1979 nur Wesen sahen, die sich zu verhüllen und dem Manne untertan zu sein hatten, haben verloren. Der Chador, jenes konturlose schwarze Stück Stoff, das nur ein Teil des Gesichts unverschleiert lässt, verschwindet zunehmend aus dem Straßenbild. Das „Hijab“ genannte Kopftuch wird zunehmend bunter, flippiger und rutscht immer weiter nach hinten.

Die Auslagen in den Parfümerien zwischen Teheran und Shiraz quellen über. Alle Wohlgerüche des Orients durchströmen die Räume und dringen hinaus bis auf den Gehsteig. Make-up, Hair-Styling, Lippenstift und Wimperntusche sind Bestseller.

Nirgendwo auf der Welt legen sich die Damen häufiger für die Schönheit unter das Messer als im Iran. Nasenkorrektur, Brust-Vergrößerung, aufgespritzte Lippen; – alles wovon die Damen glauben, dass es die Natur nicht in die Wiege gelegt habe, lassen sie „verschönern“. Allein in Teheran sollen sich mehr als 3000 Schönheitschirurgen niedergelassen haben.

Wozu das Ganze ? Ich denke, es ist eine Form des Ausdrucks einer inneren Opposition. Die wenigen Möglichkeiten sich von der Uniformität des Systems abzuheben, um Individualität und Persönlichkeit nach außen zu kehren, werden genutzt. Ein kostspieliger und manchmal unnötiger Umweg. Man kann es auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten: das verwünschte Kopftuch gleicht manchmal auch dem edlen Rahmen eines schönen Bildes.

Daste schoma dard nakonad !

„Mögen Deine Hände niemals schmerzen“ – ist ein höfliches Dankeschön oder Lebewohl aus dem Persischen!

Wer einen traditionellen Reisebericht erwartet hat, mag enttäuscht sein. Wer etwas über Geschichte, Reiserouten und Sehenswürdigkeiten im Iran erfahren möchte, ist mit einem traditionellen Reiseführer besser bedient. Dieser kleine Aufsatz ist subjektiv, ein Streiflicht auf Selbsterlebtes und Gehörtes.

Ich diesem Sinne: „Mögen Ihre Hände niemals schmerzen!“