Rumänien, Ungarn, Slowenien

Von den Karpaten in die Julischen Alpen
…was ist dran an Rumänien, dass es mich immer wieder dorthin zieht? So genau könnte ich das gar nicht sagen. Es kommt da einiges zusammen. Eine grandiose, vielfältige Landschaft vom Schwarzen Meer bis in die Karpaten, mit den letzten Urwäldern Europas, einer weit zurückreichenden Kultur im Spannungsfeld zwischen Orient und Okzident, gute Hausmannskost, offene, zugewandte Menschen; – und für mich eine Reise zurück in meine Kindheit auf dem Lande. Vieles erinnert mich an die „gute alte Zeit“ 😉

Nichts ist so sehr für die gute alte Zeit verantwortlich wie das schlechte Gedächtnis. (Anatole France)


Cuejdel …ein Traum wird wahr !
Vor die Erfüllung mancher Träume hat der Liebe Gott im wahrsten Sinne des Wortes hohe Hürden aufgetürmt. Im Oktober 2022 hatte ich mit meinem Freund Daniel schon einmal versucht zum Lacul Cuejdel zu gelangen. Von Bălțătești waren wir am sehr frühen Morgen aufgebrochen und sind nach längerer Fahrt auf holprigen Waldwegen mitten im Wald an einer Forstbarriere gescheitert.

Ich hatte so viele beeindruckende Bilder von diesem See gesehen, spiegelglatte Wasseroberfläche, viele abgestorbene Bäume inmitten des Sees, eine leichte Nebelschicht, die über dem Wasser wabert, das ganze umringt von Bäumen in herbstlichen Farben, die sich im See spiegeln. Viele dieser Fotos stammen von Gheorghe Popa einem Fotografen aus Piatra Neamț, der auch ein wundervolles Buch über den See veröffentlicht hat. Damit sich das Missgeschick des Vorjahres nicht wiederholt, hatte ich Kontakt zu Gheorghe aufgenommen und seinen Rat erbeten. Mit der Versicherung seiner Hilfe und dem Versprechen, das er mit dem Forest-Ranger reden und ich den See sehen werde, war ich beruhigt losgefahren.
Erstens kommt es anders, zweitens, als man denkt! Nochmalige Nachfrage vor dem Start: Der Forest-Ranger liegt erkrankt im Spital, aber die Anfahrt sei frei, da rund um den See Holz eingeschlagen werden. Also sind wir frohen Mutes wieder von Bălțătești gestartet und stehen nach knapp einer Stunde wieder an der gleichen, verschlossenen Forstbarriere, wie im Vorjahr. Frühes Aufstehen, ohne Frühstück und eine solche Pleite, da sinkt die Laune schnell unter den Gefrierpunkt. Auch das Warten auf Waldarbeiter war erfolglos.

Mit hängenden Köpfen treten wir den Rückweg an. Am Waldrand liegt die kleine Siedlung Cracăul Negru. So früh am Morgen ist hier noch niemand auf der Straße oder schon auf dem Weg zur Arbeit nach Piatra Neamț. Im Vorgarten eines kleinen Hauses recht ein Mann Laub zusammen. Wir halten an und fragen nach, ob er sich hier auskennt. Er fragt: „Ihr wollt zum See?“ – kein Problem, ich bin der Forest-Ranger, hier ist der Schlüssel zur Barriere. So etwas gibt es nur in Rumänien.

Der gute Mann, weiß wahrscheinlich gar nicht, welche Freude er mir gemacht hat. Der Vormittag wird ein Tag wie kein anderer, genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte: spiegelglatte Wasseroberfläche, viele abgestorbene Bäume inmitten des Sees, eine leichte Nebelschicht, die über dem Wasser wabert, das ganze umringt von Bäumen in herbstlichen Farben, die sich im See spiegeln.

Gott zur Ehr‘ dem nächsten zur Wehr !

Transsylvanien; – das Land hinter den Bergen, Heimat der „Siebenbürger Sachsen“. Mit dem Sachsen, welches wir kennen haben die allerdings nichts zu tun. Die Bezeichnung geht vermutlich auf ein sprachliches Mißverständnis zurück (das kann bei sächsisch, „eiforbibbsch“, schon einmal vorkommen.

Die Siedler, die im 13. Jahrhundert in das Land hinter den Bergen zogen, stammten mehrheitlich aus dem Mittelrheinischen und Moselfränkischen. Ein kleiner Teil der Siedler wurde in der alten Sprache der ungarischen Könige als Saxones bezeichnet.

Die meisten, wichtigen Städte der Region, wie Brasov (Kronstadt), Sibiu (Hermannstadt) oder Sighisoara (Schäßburg) und viele der kleineren Ortschaften gehen auf die Gründung siebenbürgisch-sächsischer Siedler zurück.

Die Anlage der Siedlungen folgt immer einem ähnlichen Muster, langgestreckt an einer zentralen Dorfstraße liegen die Gehöfte. Zentral an einer meist erhaben gelegenen Stelle errichteten die Siedler eine von Ringmauern und Wehrtürmen umgebene Kirche, in die man sich bei Gefahr zurückziehen konnte; – und Gefahren gab es zuhauf. Mitte des 13. Jahrhunderts waren es die blutrünstigen mongolischen Reiterheere, die die Bewohner Schutz suchen. Im 15. Jahrhundert war es die Nähe zum Osmanischen Reich, die dutzende Türkeneinfälle mit Brandschatzungen, Menschenraub und Verwüstung ganzer Landstriche zur Folge hatte. Da war ein solcher Fluchtpunkt schon wichtig.

Mehr als 150 Wehrkirchen sind bis heute in Siebenbürgen erhalten geblieben, einige davon zählen zum UNESCO-Weltkulturerbe und sind vielfach mit Unterstützung aus dem Ausland hervorragend restauriert. Für mich sind diese Sakralbauten mit ihrem kargen Inneren ein Ausdruck inniger Frömmigkeit und Verbundenheit der Gläubigen mit Ihrem Gott. Das überladene, prächtige vieler katholischer oder orthodoxer Kirchen fehlt hier völlig.

Einige Wehrkirchen habe ich bereits auf früheren Reisen besucht. Auf dieser Reise möchte ich Sie bildlich mitnehmen nach Biertan (Bierthälm), Alma Vii (Almen), Dealu Frumos (Schönberg), Cinçsor (Kleinschenck), Harman (Honigberg) und nach Cârța (Kerz). Kommen Sie also mit auf eine Reise in die Vergangenheit.


Der kleine Unterschied

Wir reisen in diesem Jahr durch Rumänien, durchqueren den Süden Ungarns und drehen eine große Schleife durch das kleine Slowenien. Ein Stückchen werden wir auch durch Italien reisen und bewegen uns entlang der Grenzen zu Serbien und Österreich.

Der erste Chef, den ich vor mehr als 40 Jahren in einer Lokalredaktion hatte, sagte immer: „Hinter Offenbach fängt der Balkan an“. Das ist weder geographisch noch ethnologisch korrekt 😉.

Aber es gibt kleine, aber feine Unterschiede zwischen den Ländern. Der größte Unterschied für mich sind die Menschen, man glaubt es kaum. Wenn man in Rumänien eine Person fragt, egal, ob alt, jung, arm oder reich, ob man ihn fotografieren darf, so ist die Antwort fast nie ein NEIN. In Ungarn fast immer. In Slowenien auch eher ein JA.

Im öffentlichen Bereich ist der Unterschied ebenfalls augenfällig. Der Straßenzustand in den Ländern des Ostens ist vorzüglich. Das verdankt man den Zuschüssen der EU. In der Regel weiß man dies zu schätzen und bedankt sich auf großen Hinweis-
Tafeln am Straßenrand. In Ungarn ist dies nicht so! Der ehemalige Außenminister und Karlspreisträger Gyula Horn, der 1989 den Eisernen Vorhang durchschnitt, und damit den Weg nach Europa frei machte, würde sich im Grab umdrehen, wenn er sehen könnte, was Orbán und seine Parteigänger aus seinem Traum gemacht haben.

Gleiches gilt für die Beflaggung offizieller Gebäude. Überall in der EU wird neben der Landesflagge auch die der EU gezeigt. Außer in Ungarn! Das „Friedensprojekt“ Europäische Union hat Europa mehr als ein halbes Jahrhundert Frieden beschert. Seit Russland einen verbrecherischen Krieg gegen die Ukraine führt, sollten wir erkennen, wie brüchig dies ist. Viel zu lange schon sind wir Sklaven einer Einbildung, wie die Welt zu sein hat.


Remember; – You are in bear country !
Von der Wehrkirche in Cârța hat man in der Ferne schon den Blick auf die schneebedeckten Karpaten-Gipfel. In diesem Jahr nehmen wir die 151 km lange Hochstraße, die sich in zahllosen Serpentinen durch das Făgăraș-Gebirge windet, von Norden her in Angriff. Bei Cârțișoara hat man einen wunderbaren Ausblick auf die Bergkette. Die Straße wird gesäumt von Bäumen in herbstlicher Pracht und Essigbäumen mit ihrem roten Laub als Farbtupfer, darüber ein strahlend blauer Himmel und die schon verschneiten Berggipfel.

Die Drumul Transfăgărășan, wie die Hochstraße offiziell heißt, wurde in der Ceaușescu-Ära in den Jahren 1970 – 1974 gebaut. Neben Bergleuten und Bauarbeitern waren in der Mehrzahl Soldaten am Bau beteiligt. Zahlreiche Menschenleben hat der Bau der Straße gekostet, aber das war dem kommunistischen Regime gleichgültig. An die tapferen, namenlosen Männer erinnert bis heute nicht einmal eine Gedenktafel.

Wir schrauben uns die viele Serpentinen, nach oben. Die Passhöhe des Bâlea-Pass liegt in 2042 m Höhe. Innerhalb von 1.1/2 Stunden haben wir einen Zeitsprung vom Herbst in den Winter gemacht. Hier oben ist es lausig kalt, ein eisiger Wind pfeift und das Plateau von einer dicken Eisschicht bedeckt. Belohnt wird man auf dem Aussichtspunkt mit einem atemberaubenden Blick ins Tal. Die Luft ist so klar, dass in der Ferne noch unser Startpunkt in der Ebene zu sehen ist. Rund um die Passhöhe haben Händler ihre Stände aufgebaut, eine Bude drängt sich an die andere. Das Angebot reicht von den üblichen, unnützen „Stehrümchen“ bis zu handfestem für Laib und Magen. Käse, Speck, Palinca, heißer Tee und Glühwein.
Es sind die letzten Geschäfte der Händler in diesem Jahr. Der Transfăgărășan wird zwischen November und Juni ganz oder teilweise gesperrt. Wir wollen in der Cabana Paraul Capra übernachten. Das liegt auf der Hälfte der Streckt zur Abfahrt ins Tal. Auch dort sind wir die einzigen Gäste, denn es sind die letzten Tage des Oktobers. Beim Abendessen erzählt der Hüttenwirt ein wenig. Im Februar 2023 seinen hier bei einem Lawinenabgang 60 Personen in der nahen Capra Hütte verschüttet worden. Die Schneemassen begruben nicht nur Teile der Berghütte, sondern auch Teile seines Etablissements. Als ich nachfrage, wie den die Leute im Februar hierhergekommen sind, grinst er nur und füllt die Gläser nach.

Der nächste Morgen belohnt uns schon zum Start in den Tag mit einem wunderbaren Sonnenaufgang, der die Berggipfel in ein leuchtendes orange taucht. Daniel erzählt, dass er auf dem unteren Streckenabschnitt ab und an einen Bären gesehen habe. Was soll ich sagen: Wir haben sicher einen Rekord aufgestellt, denn entlang der Straße sehen wir sechs Bären, nicht irgendwo im Gebüsch, sondern in „Fotografier-Distanz“. Meister Petz macht auch sofort klar, dass er der Herrscher dieser Wälder ist. Mitten auf der Straße trottet eine Bärin mit zwei Jungen. Wir halten an und Mama Bär kommt näher, stellt sich auf der Fahrerseite auf die Hintertatzen und schaut erst einmal neugierig, ob sich im Auto etwas Leckeres befindet. Die Situation ist zum Schießen komisch lässt sich nur leider nicht im Bild festhalten, denn die Begegnung kommt so unverhofft, dass meine Kamera noch auf dem Rücksitz liegt und aussteigen oder herunterkurbeln der Seitenscheibe verbietet sich von selbst, es sei denn man ist lebensmüde. Nur wenige hundert Meter weiter sitzt „Yogi-Bär“ am Straßenrand im Gras. Aber er ist eher ein „Yoga-Bär“ – er dehnt und streckt sich, macht den Sonnengruß, reckt die Nase in die Höhe und streckt die Zunge heraus. Pures Fotografenglück!

I bin ned bled !
Ganz ehrlich: wissen Sie wo Bled liegt? Ich wusste das nicht. Bled liegt im Herzen der Julischen Alpen. Bevor wir dorthin reisen, besuchen wir jedoch zuerst das „Herz von Slowenien“. In den ersten Tagen in Slowenien strahlt die Sonne nur so vom Himmel. Wundervolle, warme Spätherbsttage. Das soll sich später ändern. Wir besuchen das malerische Ptuj am Ufer der Drau, mit seinem geschlossenen, mittelalterlichen Stadtbild und wollen in Maribor übernachten. In Vorbereitung der Reise hatte ich Fotos des „Herz von Slowenien“ gesehen. Eine Straße inmitten von Weinbergen, die die Form eines Herzens beschreibt. Besonders sind diese Aufnahmen bei einbrechender Dämmerung, wenn Brems- und Fahrlichter die Form des Herzens hervorheben. Für diese Fotos gebe ich viel. Wo genau das ist? Ich finde diese Jagd der „Instagramer“ nach immer neuen Hotspots grässlich. Nur soviel; – wir sind in der slowenischen Weingegend an der Grenze zur Steiermark.
Als wir Maribor verlassen, setzt der „große Regen“ ein. Es ist, als habe der Liebe Gott eine neue Sintflut veranlasst. Wir wollen in Richtung Julische Alpen. Der Weg dorthin wird zum Abenteuer. Wir durchqueren Täler, die erst vor wenigen Wochen von einer Jahrhundertflut heimgesucht wurden. Leonardo da Vinci meinte: „Wasser ist die treibende Kraft in der Natur“. Eine zerstörerische Kraft! An der Alten Mühle in Mozirje halten wir an. Viel hat das Wasser hier weggerissen. Während ich dort fotografiere; – die hohen Berge im Hintergrund, wabernde Nebelschwaden und die Überreste der alten Mühle, kommt die Müllerin und erzählt, was sicher hier im Sommer ereignet hat….und nun regnet es schon wieder in Strömen!
Am Nachmittag habe ich buchstäblich die Schnauze voll vom Regen und mache ein Nickerchen, während die Regentropfen immer heftiger gegen die Fensterscheiben trommeln. Gegen 17:00 Uhr hört der Regen plötzlich auf und zwischen den Wolkenfetzen lugt ein wenig blau hervor. Jetzt heißt es schnell sein. Ich packe die Ausrüstung zusammen.
Dieser Abend, die blaue Stunde am Seeufer, das Spiel der tiefhängenden grauen Wolken, durchmischt mit einzelnen Sonnenflecken, der Blick über den Bleder See hinüber zur Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt, gehört zu den schönsten und bleibenden Eindrücken dieser Reise.
Die Gegend rund um Bled hat so viel zu bieten, im Sommer wie im Winter. Die Namen vielleicht nicht so klangvoll wie Kitzbühel oder St. Moritz, aber Planica das Skisprung-Mekka, Kranjska Gora oder Pokljuka sind jedem Wintersportfreund ein Begriff.
Im Sommer sind die Julischen Alpen mit dem Triglav Nationalpark im Mittelpunkt, ein Wanderparadies. Die schönste Jahreszeit für mich ist jedoch der Herbst, wenn die Bäume ihr Farbenkleid anlegen und frühmorgens der Nebel die Täler durchzieht, während die Sonne über dem weißen Nebelkleid liegt.
An einem solchen Morgen muss man hinauf in die Berge von dort hat man einen weiten Blick ins Laibacher Becken und auf Jamnik. Ein kleines Bergdorf und auf einer kleinen Anhöhe die Kirche der Heiligen Primus und Felician. Wer mit Wetterglück vor Sonnenaufgang hierher kommt, hat vielleicht die Chance, dass das zu dieser Zeit noch angestrahlte Kirchlein von Nebel eingehüllt von den ersten Strahlen der Sonne angestrahlt wird. Unbedingt sollte man einen Abstecher zum Bohinjsko jezero machen, ähnlich wie in Bled, bietet der See eine grandiose Kulisse mit der Kirche Johannes der Täufer.
Auch an dem Tag der so schön in Jamnik begonnen hatte, holt uns das Tiefdruckgebiet „Zeus“ wieder ein und es regnet und regnet. Da macht es Sinn sich leiblichen Vergnügungen hinzugeben. Wir machen Rast in Luce im Kaffeehaus Pr’Lampi. Wir sitzen in der Gaststube, während im Saal hinter uns ein „Tröster“ stattzufinden scheint. Es geht laut zu, das ganze Dorf scheint den Verstorbenen gekannt zu haben. Während sich die Trauergemeinde zerstreut, bestellen wir alles, was die Karte an Süßspeisen zu bieten hat und probieren uns durch. Orehovi Štruklji, Gruševi Žlinkrofi oder Domač Borovničev; – seien Sie mutig! Alles ist lecker !

Als der Regen etwas nachlässt, machen wir uns wieder auf den Weg. Wir wollen zur Vintgar-Klamm. Als wir den Parkplatz am Ausgangspunkt ansteuern schrecken uns die vielen geparkten Reisebusse und die Parkgebühr von 15,– € ab. Überhaupt ist Slowenien bei den Parkgebühren weit vorn. Eine Nacht in Ljubljana oder Maribor parken für schlappe 22,– € und da sind die 2 Stunden am Bleder See für 6,– € fast schon ein Schnäppchen. Wir lassen die Klamm, Klamm sein. Der Triglav Nationalpark ist reich an landschaftlichen Höhepunkten, auch im Regen. Aber Achtung! Der Passo Perdil ist bereits die Grenze zu Italien – aber wir haben ja ein grenzenloses Europa? Denkste! Zum einen gehört Rumänien im Oktober 2023 noch nicht zum Schengen-Raum und wir sind mit dem alten Dacia und dem Bukarester Kennzeichen offensichtlich verdächtig, zum anderen haben Italien und Slowenien die Schengen-Regularien wegen der hohen illegalen Migration, suspendiert. Wir werden höflich an den Straßenrand gebeten und unsere Pässe werden eingehend überprüft. Alles in Ordnung !

Wir umrunden den Triglav, durchqueren das Tal von Tarvisio, machen Station am Lago di Perdil und überqueren am Fort von Predel wieder die Grenze nach Slowenien. Der Grenzer strahlt uns an: Richtig entschieden – keine Schleußer !

Während sich der Himmel bereits wieder verdüstert, machen wir im letzten Licht noch einen Stopp an den Wasserfällen im Soča-Tal und haben wieder Glück, wir treffen eine Gruppe österreichischer Wildwasserkanufahrer, die sich wagemutig und fotogen von den Uferfelsen in die Fluten stürzen…..

…seh ich über jede Schwelle doch schon Wasserströme laufen !
Wir wollen weiter nach Süden ans Meer und übernachten in der Gostišče Jazbec,einer Fernfahrerkneipe, sauber, zweckmäßig und mit riesigen Portionen Kmečka pojedina und Ćevapčići und kaltem Bier.


Am nächsten Morgen berichtet Boštjan,der Wirt, dass die Straße nach Ljubljana wegen Überflutung gesperrt sei. Das ficht uns nicht weiter an, den dorthin wollen wir heute nicht. Aber Planung ist der Ersatz des Zufalls durch den Irrtum. Gott Zeus „das Tief“ zürnt uns weiter und aus dem Starkregen wird eine Sintflut. Hinter Tolmin ist dann Schluss, eine Mure ist abgegangen und die Erdmassen versperren die Straße. Die Feuerwehr, die hier Gaslici heißt, rückt mit schwerem Gerät an, aber es dauert mehrere Stunden, bis alles geräumt ist. In Kanal ob Soči ist der Isonzo über die Ufer getreten und die Wassermassen reißen alles mit, was ihnen im Wege steht. Die Menschen werden zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Monaten Opfer der Fluten.

Am Ortseingang liegt das kleine Cafe Slaščičarna Rafaelo. Wir gesellen uns zu den Einheimischen und Durchreisenden die bei einem Kaffee Latte oder Cappuccino von der Terrasse aus, die neuerliche Katastrophe kommentieren. Viele Gesichter sind nur noch müde und drücken Hoffnungslosigkeit aus. Wie es das Sprichwort sagt: „Wasser hat keine Balken“. Wie wahr dies ist, sehen wir am Talausgang. Dort liegt das kleine Kraftwerk von Solkan. Die Abläufe der Staumauer hat man schon geöffnet und die Fluten des Isonzo schießen ungebremst zu Tal. Inmitten der Strudel steht ein Pegelpfahl von dem ich nur noch die 6m-Marke erkennen kann und die immer wieder überspült wird.

Es geschehen noch Zeichen und Wunder! Tief Zeus verzieht sich in den Hades und kurz vor Sanjel kommt die Sonne heraus, sowohl Landschaft als auch Laune bessern sich. Wir sehen Weingärten im Sonnenschein und die ersten Zypressen, die daran erinnern das Italien nicht mehr weit ist. Ein kleiner Rundgang durch Sanjel kann ich sehr empfehlen, vieles dort erinnert an die Dörfer der Toscana.

Am späten Nachmittag kommen wir in Isola an, machen einen Rundgang durch die Marina. Der große Yachthafen, im Hintergrund die Fischerboote und der Kirchturm, dazu ein Sonnenuntergang und eine blaue Stunde zum Träumen, all das lässt uns vergessen, das wir am Morgen noch in der Sch… saßen. Der letzte Morgen in Slowenien: strahlender Sonnenschein, wir fahren nach Piran nur wenige Kilometer von Isola entfernt. Die kurvige Landstraße windet sich an der Küste entlang und folgt akazienbeschirmten Alleen, bis wir an der Adria ankommen. Piran liegt nur wenige Kilometer von Triest entfernt und ist die Perle in der Krone der Slowenischen Riviera. Die Nähe zu Venetien ist unverkennbar.

Der Sturm der vergangenen Tag hat seine Spuren an der Uferpromenade hinterlassen. In Eisdielen, Cafes und Restaurants sind die Aufräumarbeiten in vollem Gange, schließlich sind die Tagesgäste aus Österreich, Deutschland und Italien schon im Anmarsch. Die wärmenden Sonnenstrahlen der Oktobersonne locken. Inmitten des Trubels sitzt auf der immer noch überspülten Flaniermeile ein junger Mann mit aufgekrempelten Hosenbeinen in einem Korbsessel, traktiert sein Mobiltelefon. DAS LEBEN IST SCHÖN !

Bleiben’se Mensch !
Zum Ende vielleicht etwas Nachdenkliches! Der große Cicero meinte: „Keine Schuld ist dringender als die, Danke zu sagen“ und das möchte ich an dieser Stelle tun allerdings nicht ohne eine Geschichte zu erzählen, die mich sehr berührt hat.

Warum reise ich? Die Antwort ist einfach. Ich bin neugierig und Reisen räumt mit angestaubten Urteilen und Vorurteilen auf.

Mein Dank geht im Besonderen an Lucrezia Pantir aus Bicacz, die mir ganz gastfreundlich ihr Haus öffnete und aus Ihrem Leben erzählte. Ganz alleine lebt sie auf ihrem Gehöft. 86 Jahre alt ist sie und lebt von 80,– € Rente im Monat.

Mein Dank geht aber auch an:
…meinen Freund Daniel Gheorghita der mich seit Jahren unermüdlich auf meinen Reisen durch Rumänien begleitet.
…Nicolai aus Merghindeal den alten Cigan, der mit seinen 96 Jahren, geduldig meine Fragen beantwortete und auf sein Leben zurückblickte.
…Gheorghe Tambrea und Sorin Giubiga aus Horeszu die mich in die Geheimnisse der Töpferkunst einweihten und Oma Mischiu die die Irdenware charmant verkaufte.
…Nicolit seine Söhne und die vielen Kinder von Colibași, die das spontane Fotoshooting mitten auf der Dorfstraße zu einem „Fest“ machten.
…Denisa aus Timișoara, die charmante Gymnastin die mich an Nadia Comăneci erinnerte.

…Ivan Brac aus Ptuj, den Nihilisten, Poeten und Philosophen für seine „schrägen“ Einblicke in die neuere Geschichte 😉
…an Eddy aus Sanjel der mich in die Kunst der Brandmalerei einweihte.
…Oscar aus Ljubljana mit dem ich viel Spaß hatte und der sich nach ein paar Glas Wein gar nicht mehr daran erinnern konnte, von mir fotografiert worden zu sein.
…Familie Mayer die mir durch ihre Gastfreundschaft den Aufenthalt in Ihrer Pension in Bled zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht haben.
…und an alle Ungenannten die immer freundlich in meine Kamera blickten und diese Reise zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht haben.

Danke !